[HU] Warten auf Godot

  • Hallo,

    im ungarischen Schmalspurbahnforum sind aktuelle Fotos aus Bugac aufgetaucht.

    Link zu Bildern in großer Auflösung

    Der Bus ist der historische Bus aus Kecskemét.
    Die Strecke erscheint mir weiterhin freigeschnitten, ohne Freischnitt sähe die Strecke anders aus. Auch das Bahnhofsgebäude macht nach 7 Jahren Stillstand immer noch einen guten Eindruck, ich hoffe, das bleibt so.

    Die Bilder sind direkt mit dem entsprechenden ungarischen Forum verlinkt.

    Grüße aus Debrecen

  • Hallo,

    bei meinen letzten zwei Besuchen waren im Gemeindegebiet Jakabszállás die Gleise freigeschnitten, das Gleiche galt für den Bahnhofsbereich Bugac. Ansonsten (auch im Bereich der anderen Bahnhöfe) waren die Gleisanlagen überwuchert, teils mit hohen Sträuchern im Gleisbereich zugewachsen. Vor allem die Situation in Jakabszállás wirkte fast unwirklich, wie ein stilles Bekenntnis der Gemeinde zur Schmalspurbahn, also wie eine kleine Trotzreaktion. Gleiches mag für den Bahnhof Bugac gelten. Im Bereich der Station Bugacpuszta war das Gleis zum Beispiel unter hohen Unkraut verborgen und außerhalb des Stationsbereiches standen im Planum recht hohe Büsche. Eine kurzfristige Befahrung der Strecke von Kecskemét nach Bugac ist somit völlig ausgeschlossen. Ich glaube nicht, dass sich an dieser Situation etwas verändert hat, denn auch wenn vor geraumer Zeit (im März diesen Jahres) ein User hier im Forum kundgetan hat, dass er höchstselbst bestrebt ist, sich um die Schmalspurbahn zu kümmern und nach Gewinnung von Sponsoren die Schmalspurzüge wieder fahren zu lassen, sind mir in den letzten Monaten keinerlei Aktivitäten zur Wiederinbetriebnahme der Schmalspurbahn bekannt geworden, was ich allerdings ausdrücklich bedauere. Da würde mich tatsächlich interessieren, wie weit denn die Verhandlungen mit Mercedes als Hauptsponsor der Kecskeméter Schmalpurbahn schon fortgeschritten sind? War es vielleicht doch eher Schein :schein: und weniger Sein? Zumindest herrscht nach der Ankündigung verdächtige Stille. Vielleicht sind es aber Geheimverhandlungen. :zwink:

    Mit dem Ausbau der Karikás Csárda als Tor zum Nationalpark, welche doch etwa zwei Kilometer von Bugac entfernt liegt, hat man das Potential der Schmalspurbahn zusätzlich gemindert. Besser wäre vielleicht die Errichtung eines baulichen Eingangstores als ein Zugang von Seiten des Bahnhofs Bugac felső gewesen, so wie es vor einigen Jahren praktiziert wurde, als noch die Dampfzüge bis zu diesem Bahnhof fuhren.

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo,

    ja, die Situation in Jakabszállás wirkte auch bei meinem letzten Besuch im Jahr 2014 fast surrealistisch. Absolut freigeschnittene Gleise, mehrere gepflegte Güterwagen, Bahnhofsgebäude im Top-Zustand, all dies sprach von keiner längeren Pause.
    Hätte ein Fahrplan gehangen, dann hätte man gewartet, versprochen, doch zu diesem Zeitpunkt fuhr schon 4 1/2 Jahre keine Bahn, zumindest kein Personenzug, mehr.

    Über Projekte in Kecskemét ist derzeit absolut nichts zu hören. Private Initiativen haben sich allsamt zurückgezogen. Die Pflege des Restobjekts am Startbahnhof Kecskemét KK obliegt weiterhin der MÁV. Laut Aussagen von Eisenbahnern soll immer noch eine funktionsfähige (und zugelassene) C50 vorhanden sein. Das Gelände des Bahnhofs und das Bw wird rund um die Uhr durch Wachschutz bewacht.

    Die restlichen Lokomotiven (leider auch die Dampflok) bedürfen größerer Instandsetzungen, bis ein Einsatz wieder in Frage kommen könnte.
    Die (Personen)Wagen haben zwar überwiegend Glasbruch erlitten, aber bei meinem letzten Besuch in Kecskemét war der Allgemeinzustand der dort abgestellten Wagen (insbesondere der des historischen Zuges) noch außergewöhnlich gut.

    Ich persönlich glaube jedoch leider nicht mehr an eine Wiederinbetriebnahme, denn an Mercedes als Sponsor . . . , das halte ich angesichts der derzeitigen Situation, schlicht für ausgeschlossen, da wirklich keinerlei politischer Wille für eine Reaktivierung zu erkennen ist.

    Grüße aus Debrecen

  • Hallo,

    es ist halt eben immer die Frage, warum es dort keine Umsetzung von durchaus vorhandenen Ideen gibt. Das die derzeitige Regierung kein Herz für die Schmalspurbahnen hat, lässt sich wohl nicht belegen, da bei anderen Schmalspurbahnen im laufenden Jahrzehnt die touristische Infrastruktur mit nicht gerade bescheidenen Beträgen gefördert wurde. Warum geht es in Kecskemét nicht voran? Die Bürgermeisterin der Stadt ist in der gleichen Partei, wie der Ministerpräsident. Da kann es also keine oppositionellen Bestrebungen geben.

    Ich denke, dass es der riesige Investitionsbedarf ist. Es müsste der gesamte Oberbau erneuert werden. Mit Sicherheit müsste an einigen Stellen in heutiger Zeit neue Bahnübergangssicherungsanlagen errichtet werden, die Fahrzeuge müssten allesamt aufgearbeitet werden ... und das "Beste" zum Schluss: Um die Strecke attraktiv zu machen, müsste sie vom derzeitigen Endpunkt in Kecskemét in die Innenstadt verlängert werden, so, wie es vor Jahrzehnten schonmal war. Es würde sich aber um eine Neubaustrecke durch dicht bebautes Gebiet handeln, die sämtlichen EU-Regelungen beim Bau von neuen Eisenbahnstrecken unterworfen wäre. Allein nur diese paar hundert Meter würden finanzielle Mittel aufbrauchen, die bei anderen Schmalspurbahnen besser aufgehoben sind (und ich nehme da auch nicht Felcsút aus, da der Bau dieser Bahn auf einer gewidmeten Bahnstrecke relativ günstig zu realisieren war und im Ballungsraum Budapest / Tatabánya / Széksfehérvár / Győr ihre touristische Daseinsberechtigung hat). Man möchte sich nicht vorstellen, wenn die ungarische Regierung beim Neubau einer schmalspurigen Eisenbahnstrecke die Zwänge der EU-Regelungen etwas freier interpretieren würde. :schock:

    Wer möchte in solch ein Haifischbecken springen?

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo,

    ich habe einen Bericht in der Zeitschrift 'Transportwelt' gefunden, welcher die Zukunft der ungarischen Schmalspurbahnen thematisiert. Er ist vom 06. April 2017 ... also noch gar nicht so alt. Im Bericht findet sich die folgende Aussage zur Kecskeméter Schmalspurbahn: 'A jövőben turisztikai céllal hajtánypálya nyílhat a bezárt kecskeméti kisvasút egy szakaszán.' Übersetzt bedeutet dieser Text sinngemäß: 'In Zukunft könnte zu touristischen Zwecken ein Abschnitt der außer Betrieb befindlichen Kecskeméter Schmalspurbahn als Draisinenstrecke eröffnet werden.'

    Erörtert wurde diese Maßnahme von den Experten beim '23. Treffen der schmalspurigen Eisenbahnen im Karpatenbecken' in Budapest. Eine Wiedereröffnung der Kecskeméter Schmalspurbahn stand bei den Experten nicht zur Debatte.

    Freundlichen Gruß, René

    P.S.: Als kleine Zugabe noch die Beförderungszahlen der touristischen schmalspurigen Waldbahnen (ÁEV) im Jahr 2016:

    - Csömödér ÁEV: 20.207 Fahrgäste

    - Lillafürédi ÁEV: 229.191 Fahrgäste

    - Gemenci ÁEV: 71.961 Fahrgäste

    - Mátravasút Gyöngyös: 61.972 Fahrgäste

    - Zsuzsi ÁEV Debrecen: 21.536 Fahrgäste

    - Királyréti ÁEV: 117.600 Fahrgäste

    - Nagybörzsönyi ÁEV: 18.459 Fahrgäste

    - Szobi ÁEV: 10.720 Fahrgäste

    - Bezina-völgyi ÁEV (neue Transbörzsöny-Strecke): etwa 17.500 Fahrgäste

    - Pálházi ÁEV: 33.214 Fahrgäste

    - Mesztegnyői ÁEV: 9.477 Fahrgäste

    - Almamelléki ÁEV: 5.600 Fahrgäste

    - Kaszói ÁEV: 13.111 Fahrgäste

    - Szilvásváradi ÁEV: 270.251 Fahrgäste

    - Felsőtárkányi ÁEV: 31.574 Fahrgäste

    - Kemence Erdei Múzeumvasút: 25.324 Fahrgäste

    Im Jahr 2016 waren somit auf 215 Kilometern touristisch betriebener Waldbahnen in Ungarn insgesamt 958.697 Fahrgäste unterwegs.

  • Hallo,

    anlässlich des 75. Geburtstages der in Kecskemét beheimateten Dampflok 490.053 wurde diese am 12. August im Rahmen einer Feierstunde der Öffentlichkeit präsentiert. Die Dampflok konnte besichtigt werden, in einem Personenwagen war ein Kuchenbuffet eingerichtet und das Bahnhofsgebäude Kecskemét war geöffnet und zeigte eine Ausstellung zu Bahn und Post. Auf einer kurzen Strecke vor dem mit Sicherheitszaun gesicherten Bahnhofsgelände wurde das Gleis von der Grasnarbe befreit und es konnte mit Fahrraddraisine befahren werden.

    Die Dampflok genießt nach langer Zeit im Schuppen mal wieder das Tageslicht. Sie wurde im Jahr 1942 bei der MÁVAG gebaut. Nach Kecskemét kam sie im Jahre 1983 von der Wirtschaftsbahn in Szob. Ab diesem Jahr wurden auch Nostalgiezüge auf dem Kecskeméter Netz eingesetzt. Im Jahr 1992 erhielt die Lokomotive einen neuen Kessel und verkehrte nach dieser Modernisierung unter dem neuen Namen 'Bugaci Kispöfögő' bis zum Jahr 2009, wo sie nach Betriebseinstellung auf dem Kecskeméter Netz ihren langen Dornröschenschlaf im Schuppen von Kecskemét begann, den Augen der allgemeinen Öffentlichkeit verborgen.

    Hier der Link zu Facebook mit den entsprechenden Bildern von der Feier: Feierstunde am 12. August 2017 in Kecskemét

    Viel Freude beim Betrachten der Bilder und einen freundlichen Gruß, René

  • Das Ganze hat es am heutigen Montag auch mit Bild in die Tageszeitung "Napló" von Debrecen geschafft. Herzlichen Glückwunsch zum traurigen Jubiläum,
    Leider gäbe es den Naplo Link nur kostenpflichtig, deshalb stelle ich ihn hier nicht ein.

    Gruß aus Debrecen

  • Hallo,

    ich habe den Titel des Themas wohl nicht gänzlich verfehlt gewählt:

    "Wladimir nähert sich mit gespreizten Beinen, mit kurzen, steifen Schritten: „Ich glaube es bald auch.“ Er bleibt starr stehen. „Ich habe mich lange gegen den Gedanken gewehrt. Ich sagte mir: Wladimir, sei vernünftig, du hast noch nicht alles versucht. Und ich nahm dem Kampf wieder auf." Irgendwann dämmert es auch Wladimir und Estragon, dass Godot nicht erscheinen wird und das Warten völlig vergeblich war. Allerlei Spielchen und Diskussionen zum Zeitvertreib des sinnlosen Wartens erinnern sehr an die vergeblichen Hoffnungen der Freunde der Kecskeméter Schmalspurbahn, die sich wohl auch nicht erfüllen werden.


    Leider! :nixw:


    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo,

    dieses Bild ist mit folgendem Titel versehen: Am Tag der offenen Tür war nach 8 Jahren erneut das Bugaci Kispöfögő (Bugacer Schnauferchen) zu sehen.


    (Quelle: Kecskeméti kisvasútért kezdőlap)

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo,

    auf der ungarischen Website kisvasut.hu ist eine interessante Analyse zum Betrieb der Schmalspurbahn erschienen, welche sich mit meinen bisher hier im Forum geäußerten Bedenken deckt. Den wichtigsten Teil dieses Berichtes möchte ich hier gerne in Übersetzung einstellen:

    Die Betriebseinstellung der Schmalspurbahn im Jahre 2009 und das nachfolgende Koma verursachen einen bitteren Beigeschmack zum 75-jährigen Jubiläum der Dampflok. Natürlich wäre jeder Schmalspurfreund glücklich, das Bugacer Schnauferchen wieder unter Dampf auf der Strecke fahren zu sehen. Mit immer weniger Vertrauen nimmt man aber Ideen, Pläne, Ziele und Neuigkeiten bezüglich einer Wiederinbetriebnahme der Bahn zur Kenntnis, ohne dabei das Engagement bestimmter Bahnfreunde schmälern zu wollen. Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass es seit dem 8. Dezember 2009 keine spürbaren Fortschritte in diesem Bereich gibt. Die Frage stellt sich nach dem Warum? Gibt es einen Fluch auf der Kecskeméter Schmalspurbahn, der keine Entwicklung zum Positiven in dieser Gegend erlaubt?

    Zum Ersten kann man ein solches Schmalspurnetz heute nicht mehr im täglichen klassischen Schienenpersonennahverkehr betreiben. Auf der einen Seite gibt es keine Menschen, die mit einer Reisegeschwindigkeit von 15-20 km/h nach Kecskemét zur Arbeit etc. fahren wollen. Auf der anderen Seite gibt es nicht genug Leute im Einzugsbereich der beiden Schmalspurstrecken, welche tatsächlich befördert werden könnten. Es gab die Idee, dass eine große Autofabrik (Mercedes) in Kecskemét die Eisenbahn nutzen könnte, um Arbeiter aus den Dörfern der Gegend zur Fabrik zu bringen. Offensichtlich tut man sich mittlerweile schwer, wirklich realistische Ideen zu entwickeln. Der Zeitraum zwischen 2000 und 2010 hat eindeutig gezeigt, dass diese Reisenachfrage nicht vorhanden ist. Die Nutzung der Züge verschlechterte sich von Jahr zu Jahr rapide. Darüber hinaus ist der Streckenverlauf der Bahnlinie an vielen Stellen suboptimal.

    Eine weitere Möglichkeit für den Betrieb der Schmalspurbahn besteht in der touristischen Nutzung. In dieser Hinsicht bleibt als einzige realistische Option, die Kecskemét-Bugac-Verbindung aufrechtzuerhalten. Doch auch hier bleiben Fragen. Zunächst ist es die Distanz, welche mehr als 30 km beträgt! Die heutzutage übliche Reisegeschwindigkeit auf den touristischen Schmalspurbahnen beträgt 20 km/h, was eine Reisezeit von eineinhalb Stunden bedeuten würde. Erhöht man die Geschwindigkeit auf 30 km/h bleibt immer noch eine Stunde Fahrzeit. Die Höchstgeschwindigkeit des Schnauferchens beträgt 35 km/h (was aber nicht bedeutet, dass man die ganze Strecke in einem solchen Tempo fahren kann). Für einen typischen Fahrgast beginnt der Genuss der Reise nach einer halben Stunde bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten steil abzufallen, für Kinder bedeutend früher. Die unumgängliche Rückfahrt verdoppelt diese Zeit. Wer mit offenen Ohren nach Gemenc oder Csömödér reist, kann diese Erfahrungen bestätigen. Die Situation wird weiter durch die Tatsache verschärft, dass die Schmalspurbahn nicht in der Nähe der Bugac-Attraktionen (Puszta, Schäfer-Museum, Csárda etc.) endet, sondern sich die Bahnhöfe mindestens 1-2 km (15-30 Minuten Fußweg) entfernt befinden. Eine Lösung könnte der Transport der Fahrgäste mit Kutschen sein, aber bei genauerer Betrachtung kann man diese Lösung bei einer größeren Anzahl von potentiellen Passagieren ausschließen.

    Eine weitere Herausforderung wäre die Finanzierung, wofür man nach Schätzungen zwischen 2 und 4,5 Milliarden Forint (ca. 6,5 - 14,8 Millionen Euro) veranschlagen kann, um die Strecke wieder in Betrieb nehmen zu können. Dieser Betrag setzt sich aus folgenden Teilen zusammen:

    - Rekonstruktion der Strecke Kecskemét - Bugac: 1,5 - 3 Milliarden Forint (50 - 100 Millionen Forint pro Kilometer je nach aktuellem Zustand)

    - Rekonstruktion der Dampflokomotive: 25 - 50 Millionen Forint

    - Rekonstruktion der Diesellokomotiven: 50 - 100 Millionen Forint

    - Rekonstruktion des Wagenmaterials: 10 Millionen Forint pro Fahrzeug

    - Rekonstruktion von Bahnhöfen und betrieblicher Infrastruktur (z.B. Sicherungstechnik): 1 Milliarde Forint

    Diese Beträge müssten kurzfristig zur Verfügung gestellt werden, um die Schmalspurbahn überhaupt wieder in Betrieb nehmen zu können. Auf Grundlage wirtschaftlicher Betrachtungen kann eine Wiederinbetriebnahme somit ausgeschlossen werden.

    Eine weitere Frage ist, wer die auflaufenden Verluste der Betriebsführung begleichen soll, die sich auf minimum 10 Millionen Forint im Jahr (eher deutlich höher) belaufen würden. Bisher wurde keine Liste von Interessenten an diesen Zahlungen vorgelegt.

    Freundlichen Gruß und allen Lesern ein schönes Wochenende, René