Aufarbeitung der Jung Hilax 8293 (1938) bei der Waldeisenbahn Muskau

  • Hallo Sven,

    richtig, Restaurierung bedeutet vor allem, Geschichte zu erhalten. Dank moderner Fertigungsmethoden sind viele Teile heute leichter herzustellen. Und niemand kann erwarten, dass man die Technik heute nicht nutzt. Trotzdem wirken manche der in den letzten Jahren neu gebauten Dampfloks teilweise etwas steril, weil eben die Spuren der CNC-Maschinen deutlich sichtbar sind. Toll, dass du dir die Mühe machst, Brauchbares zu erhalten und nur verschlissenen Teile zu erneuern. Ich lese hier jeden Beitrag mit großer Freude!

    Viele Grüße,
    Eckhard

  • In Friedrichstadt sind wir ja auch an einer alten Diesellok am schrauben und aufarbeiten. Einige Bleche haben schöne Narben, Dellen, Beulen und Kanten - auch die wollen wir erhalten. Idee ist ja immer die Geschichte der Lok mitzuerzählen... .

    mfg André

  • ... einfach immer wieder schön anzuschauen und zu lesen.
    Man riecht förmlich das warme Eisen und das Öl, wenn man die Bilder anschaut. Ich könnte da stundenlang zuschauen ...

  • Mahlzeit!

    Danke für die Anerkennung und weiteren Spendeneingänge für das Projekt Hilax.

    Im Folgenden möchte ich nun weiter über die Aufarbeitung der Bremsteile berichten. Nachdem der Bremsbock fertiggestellt war, wurden die Bremstraversen in Angriff genommen.
    Nach der Reinigung wurden die tiefen Kerben, die durch das Einschleifen der Spurkränze entstanden waren, ausgeschweißt. Auch die stark abgezehrten Zapfen wurden durch Auftragschweißung wieder hergestellt. Das Überdrehen war wegen der starken Unwucht nur mit einem Ausgleichgewicht nach Feldbahnerart möglich.


    Die hintere Bremstraverse vor der Aufarbeitung.


    Deutlich ist das eingeschliffene Spurkranzprofil zu sehen, das durch das Abfahren der Bremsklötze bis zum bitteren Ende entstand.


    Auf der rechten Seite hatte sich bereits die Lauffläche mit eingeschliffen.


    Nach der Reinigung mit der Zopfbürste ist auch der Verschleiß an den Lagerzapfen der Hängeeisen sichtbar.


    Nach dem Vorwärmen wurde mit dem Schweißen der ersten Lagen begonnen. Durch das beachtliche Volumen an aufzufüllendem Material haben die Arbeiten einige Zeit in Anspruch genommen.


    Nach einer knappen Stunde war die erste Kerbe aufgefüllt und der Lagerzapfen aufgeschweißt.


    Nach dem Ende der Schweißarbeiten waren rund 1,5 kg Elektroden verbraucht. Vor der weiteren Bearbeitung wurden Schlackenreste und Spritzer entfernt.


    Nach dem Verputzen der aufgeschweißten Bereiche werden die Zapfen auf der Drehmaschine bearbeitet. Ein Lorenrad meiner 10 1/4"-Bahn dient zum Ausgleich der Unwucht.


    Der erste Zapfen ist wiederhergestellt. Die Gewinde waren noch nachzuschneiden.


    Die bei der Reinigung sichtbar gewordene Markierung dient der Seitenzuordnung und wurde wahrscheinlich von der Werkstatt der Fa. Halbach eingemeißelt.


    Nach Abschluss der mechanischen Bearbeitung konnte die Bremstraverse auf die Grundierung vorbereitet werden.


    Mit der vorderen Traverse wurde ähnlich verfahren. Es handelt sich hierbei um die Ausführung als Schmiedeteil, welches irgendwann mal neue Zapfen bekommen hatte. Diese wurden dann in die Stirnseiten eingepresst und verschweißt.


    Die Nähte wiesen zahlreiche Nahtfehler auf und ware daher zu erneuern.


    Sie waren dafür vollständig auszuschleifen, um sie dann neu aufzubauen.


    Nach dem Schweißen wurde wiederum gereinigt und weiter mechanisch bearbeitet.


    Die ursprüngliche Kontur ist wiederhergestellt.Im nächsten Bericht geht es dann weiter mit den restlichen Bremsteilen.

    Gruß Sven

  • Mahlzeit Eckard,

    und ich dachte schon, zu bisweilen zu ausführlich zu berichten :ok:



    Zuerst wurde der aufgeschweißte Zapfen auf der Drehmaschine auf Maß gedreht, danach die Kontur der Traverse mit Winkelschleifer und Fächerscheibe herausgearbeitet.


    Nun ging es an die Aufarbeitung der ersten von drei Bremszugstangen samt Gabelkopf. Auch hier war viel Arbeit notwendig, um die starken Korrosionsschäden zu beseitigen.


    Der Gabelkopf verbindet die hintere Bremstraverse mit der Zugstange zur vorderen Traverse. Die Gewindestange ist so stark beschädigt, dass sie neu angefertigt werden muss.


    Zunächst musste die Gewindestange abgeschnitten und der eingeschweißte Rest aus dem Kopf ausgebohrt werden.


    In meinem Materiallager fand ich eine passende Gewindestange, die nur noch abgelängt werden musste und dann in den Kopf eingepresst wurde.


    Anschließend konnte sie von beiden Seiten eingeschweißt werden.


    Nun ließ sich der Gabelkopf auch gut mit einem Prisma einspannen, damit die Bohrung für den Bolzen auch rechtwinklig zur Gewindestange läuft.


    Der fertig bearbeitete Gabelkopf.


    Im Anschluss wurde auch die Zugstange ausgesprindelt.


    An der Drehmaschine wurden danach für beide Gestängeteile Buchsen aus Grauguss hergestellt.


    Im Anschluss daran konnte der neue Bolzen gefertigt werden.


    Nach dem probeweisen Zusammenbau ließ sich die Stärke der notwendigen Distanzscheiben ermittel werden, die das Seitenspiel begrenzen.


    Damit war diese Gelenkverbindung fertig instandgesetzt.


    Wiederum wurde zunächst grundiert.


    Und danach der Gabelkopf in der hinteren Traverse montiert.

    Gruß Sven

  • Weiter ging es mit den restlichen Zugstangen:


    Deren Köpfe waren einseitig aufzuschweißen, da sie ebenso wie die Gabelköpfe der Bremswelle stark abgenutzt waren.


    Nach dem Verputzen folgte das Ausspindeln und Ausbuchsen.

    Die langen Gewinde mussten mühsam von Hand nachgeschnitten werden.


    Anschließend wurde grundiert und lackiert. Die Stangen wurden später beim Anbau noch gerichtet, dazu fehlt mir in meiner Werkstatt die räumliche Möglichkeit.


    Nun waren die Bremshängeeisen aufzuarbeiten und an die Bremsklötze anzupassen. Dies war notwendig, da die Lok analog der anderen WEM-Maschinen zukünftig S2-Klötze erhalten soll, um die Lagerhaltung zu vereinfachen. Zudem sind für die alten Klötze weder Maße noch ein Gussmodellvorhanden.


    Der Vergleich zwischen altem (L) und neuem Klotz (R).Mehr dazu im nächsten Bericht.

    Gruß Sven

  • Mahlzeit!

    Weiter mit den Arbeiten an den Bremshängeeisen:


    Die alten Bremsklotzbolzen waren etwas kleiner als die für den S2-Typ, da hätte das Aufbohren der Löcher eigentlich gereicht. Jedoch wurde für die Zukunft vorgearbeitet und die Verwendung von austauschbaren Buchsen eingeplant.Beim Aufbohren tauchten dann auch eingeschweißte Buchsen auf, die natürlich zu entfernen waren.


    Das Aufreiben der Bohrungen geschah auf der Fräsmaschine.


    Die Hängeeisen sind ebenfalls Schmiedeteile und besitzen in der Mitte aufgeschweißte Verstärkungen, die darauf hindeuten, dass die ursprünglich vom Werk vorgesehenen Bremsklötze eine andere Größe
    hatten, als die zuletzt verwendeten.


    An den unteren Hälten wiesen die Bremsklötze zwischen den Bohrungen einseitig einen ungewöhnlich gleichmäßigen Radius auf, vermutlich war man reinige Zeit mit regelrecht durchgeschliffenen Bremsklötzen gefahren. Das Hängeeisen RV wurde damals mittels Schlauchsäge eine Aussparung für die Zylinderentwässerungswelle verpasst. Rechts im Bild der zwischenzeitlich fertig lackierte Bremsbock.


    Nun waren für sämtliche Bohrungen wieder Buchsen zu drehen.


    Dann erfolgte zunächst das Einpressen der Buchsen für die Bremsklotzbolzen. Diese wurden in ihrer Länge bereits auf die S2-Bremsklötze angepasst.


    Um die seitliche Führung des Klotzes zu verbessern wurden anschließend noch Scheiben aufgeschweißt. Zudem erfolgte das Aus- und Nachschweißen von verschlissenen Bereichen und fehlerhaften Nähten.


    Nach Abschluss der Arbeiten wurden die Hängeeisen grundiert.


    Zusammen mit den anderen fertiggestellten Bremsbauteilen erfolgte einen Tag später die Lackierung.


    Nur noch wenige Tage blieben bis zum geplanten Einbau der Bremsanlage und es waren noch die neuen Bremsklotzbolzen zu drehen.


    Dank einiger Nachtschichten konnten alle Einzelteile aber noch rechtzeitig fertiggestellt werden und sind hier bereits beim Verladen für den Transport zu sehen.

    Dazu mehr im nächsten Bericht.

    Gruß Sven

  • Hallo, Sven,

    deine Berichte sind immer wieder Klasse. Und - wieviel handwerkliche Arbeit da drinnen steckt, kann ich nachvollziehen, denn in den 50er Jahren habe ich als künftiger Elektromonteur(!) an ähnlichen Maschinen 1 Jahr Metallausbildung gehabt.

    Grüße Bernd.

  • Nun zum eigentlichen Einbau der Bremse:

    Der Einbau der Bremse erfolgte am 14.Juni in Weißwasser, die Aufarbeitung war abgeschlossen.
    In den letzten knapp 5 Monaten wurde die komplette Bremseinrichtungdemontiert, gereinigt, befundet und aufwendig aufgearbeitet.
    Rund 200Arbeitsstunden wurden dafür geleistet. Nach der Abnahme der Arbeiten durch den Abnahmebevollmächtigen erhält die Lok eine Bremsrevision Br 3.
    Dank an alle Beteiligten und Spender, die die Arbeiten ermöglicht haben.


    Nach der Ankunft stehen die übrichen Rangiermanöver an, um die Lok von ihrem Stand im Museum zur Werkstatt zu transportieren. Dabei zählte jede Minute, denn es waren nur 4 Stunden Zeit, bis ich die Rückfahrt antreten musste.


    Die neuen Bremsklötze vom Typ S2 werden auf die Montage an den Hängeeisen vorbereitet. Wichtig war dabei insbesondere das Entgraten der Bohrungen.

    Montage der Bremsklötze an die Hängeeisen.


    Der komplette Satz bereit zum Anbau.


    Zuvor wurden die Hängeeisen noch probeweise auf die Halter gesteckt. Dabei bestätigte sich die Vermutung, dass sie früher einmal durch übermäßg stark abgenutzte Bremsklötze an der Lauffläche geschliffen haben. Da es jedoch für die Funktion keinen Einfluss hat, wurde dies als Betriebsspur belassen.


    Nun erfolgte der Einbau von Hängeeisen und Bremstraversen.


    Blick auf die eingebaute vordere Traverse von der Arbeitsgrube aus.

    Die hintere Bremstraverse ist nun ebenfalls eingebaut. An der Unterseite des Rahmens ist der hintere Mannlochdeckel des Rahmenwasserkastens zu sehen.


    Im Anschluss wurden die 3 Bremszugstangen montiert.


    Blick von der Bremswelle nach vorn auf das komplette Bremsgestänge.


    Der Bremsbock im Führerstand wurde als letzte Baugruppe montiert und anschließend konnte die gesamte Bremse eingestellt werden.


    Auch von Außen betrachtet ist das Fahrwerk damit wieder vollständig.


    Nach Beendigung der Arbeiten schiebt die 1939 gebaute JUNG-Diesellok ZL 233 die Hilax zum Gefälle hinter der Schauwerkstatt für einen ersten Bremsversuch.


    Die kurze Probefahrt verlief zur vollsten Zufriedenheit, der Aufwand hat sich gelohnt.Am 01.Juli wurde die Lok dann zu einer Ausstellung im Bahnhof Bad Muskau überführt, davon berichtete Blix bereits an anderer Stelle.

    Gruß Sven