Aufarbeitung der Jung Hilax 8293 (1938) bei der Waldeisenbahn Muskau

  • Mahlzeit!


    Die ersten Teile für das linke Speiseventil sind angefertigt. Eine Herausforderung ist das zweigängige Rechteckgewinde für die Ventilspindel.
    Aber nun der Reihe nach:

    Begonnen wurde mit der Aufarbeitung des Handgriffes für die Ventilspindel. Nach dem Entrosten wurde mit der Anfertigung eines neuen Holzheftes begonnen.


    Das Holzheft entsteht aus einem Buche Rundstab.


    Nachdem die Form gedrechselt ist und am rechten Ende ein Kupferring aufgepresst war, wurde die Oberfläche mit dem Lötbrenner gebräunt, um den Griff zu schwärzen.


    Nach dem Zusammenbau wurde das Holz noch mehrfach mit Leinölfirnis behandelt. Somit macht der Griff einen nicht gar zu neuen Eindruck und passt dann besser zum Ventilgehäuse.

    Nun widmete ich mich der verbogenen Ventilspindel:


    Zunächst bin ich noch davon ausgegangen die alte Ventilspindel retten zu können. Daher wurde im ersten Schritt die genaue Biegestelle ermittelt.


    Das Richten war erfolgreich, letztlich fand ich jedoch einen gerissenen Gewindegang, so dass es nun doch eine neue Spindel werden sollte.
    Es handelt sich um ein zweigängiges Rechtsgewinde mit 2 1/2 Gang pro Zoll und 20 mm Außendurchmesser und rechteckigem Querschnitt. Eine typische Krauss-Spezialität, gefertigt nach eigener Werksnorm. Glücklicherweise habe ich die Originalzeichnung des Ventils, rein messtechnisch hätte ich eine Steigung von 10 mm ermittelt, tatsächlich sind es aber 10,16 mm. Da ich noch nie ein zweigängiges Gewinde gedreht habe, war das eine neue Herausforderung. Zunächst wurde ein passender Drehstahl aus HSS geschliffen und im "Handbuch der Dreherei" von 1920 nachgelesen, wie die Herangehensweise ist.


    Auf meiner großen Hofstetter S6-Drehmaschine hätte ich mich mit einer Wechselradberechnung beschäftigen müssen, die kleinere UNION-WERK von 1939 hat dagegen die 2 1/2 Gang pro Zoll auf der Gewindetabelle verzeichnet.


    Um nicht teures Buntmetall zu verschwenden habe ich zunächst ein Probestück aus C45 gedreht. Der erste Gewindegang ist sehr sauber geschnitten, dank des sorgfältigen Abziehens des Drehstahls.


    Nun musste der Oberschlitten um die halbe Steigung , d.h. 5,08 mm verschoben werden, um den zweiten Gang zu drehen. Die Messuhr hilft bei der exakten Verschiebung.


    Noch einmal wird die richtige Postion des Drehstahls ohne Zustellung geprüft.


    Nun konnte der zweite Gang gedreht werden.


    Das Ergebnis ist gar nicht schlecht für den ersten Versuch.


    Das Probestück wurde noch markiert und gerändelt, um es als Lehre für das Innengewinde nutzen zu können.


    Ich habe im Laufe der Aufarbeitung der Lok bereits einige Lehrgewinde gedreht. Dieses hat so ziemlich fast alles gefordert, was es beim Drehen an Herausforderungen gibt, abgesehen vom Linksgewinde...Ob es für solch ein Spezialgewinde überhaupt eine Wendeplatte gegeben hätte, wage ich zu bezweifeln. Natürlich hätte man Einsatz und Spindel auch mit einem genormten Trapezgewinde erneuern können, doch das ist nicht der Sinn einer Restaurierung. Davon abgesehen, wären die Kosten und der Aufwand auch nicht geringer gwesen.

    Zufrieden mit dem Ergebnis konnte ich mich dann an die Anfertigung der eigentlichen Spindel machen,
    dazu mehr im nächsten Bericht.

    Gruß Sven

  • Grüne Neune, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, aber klar, irgendwoher muss so ein Gewinde ja kommen :irre:

    Mich würde interessieren wie schnell oder langsam die Drehbank für diese arbeit dreht und wie oft du für die Tiefe schneiden musst??

    Danke und liebe Grüße und Hut ab :huhu:

  • Mahlzeit Lenni,

    nun deine Frage ist durchaus berechtigt:

    Ich habe mit 114 U/min und 5/100 Zustellung gedreht. Da die Schlossmutter während des ganzen Gewindedrehens geschlossen bleibt und der komplette Support auch am Gewindeende gebremst werden will, ist bei so einem recht steilen Gewinde in der Regel keine höhere Drehzahl möglich. Im Gegensatz zu normalen Gewindesteigungen wird die Leitspindel hier schon ins Schnelle übersetzt.
    Das Drehen von Gewinden macht auf der 80 Jahre alten UNION-WERK aus Mittweida im Übrigen richtig viel Spaß, da sie über eine Oertlinghaus-Lamellenkupplung verfügt und man so Vor- und Rücklauf mit einem Handhebel sehr gut steuern kann.
    Zu beachten ist auch, dass die Gewindeflanken bei diesem Rechteckgewinde nicht nocheinmal überdreht werden, sondern die Breite des Drehlings (in dem Falle 2,45 mm) das Profil bestimmt. Für die 2,8 mm Gewindetiefe sind demnach 56 Durchgänge pro Gewindegang zu machen, insgesamt also 112 Durchläufe á 15 sec. (Zustellung-Vorlauf-Herauskurbeln-Rücklauf-Zustellung usw.), macht rund 30 min für das Gewinde. Ich habe ein paar Durchgänge gefilmt, daher die ungefähre Zeitangabe.

    Weiter geht es mit der Aufarbeitung des linken Speiseventils.


    Die neue Spindel ist aus Rotguss7 vorgedreht.


    Der Gewindeteil wurde mit Tuschierfarbe für einen besseren Kontrast beim Ankratzen eingefärbt.


    Der erste Gang ist bis zur notwenigen Gewindetiefe gedreht. Für die Bearbeitung der Rotgussspindel habe ich einen neuen Drehstahl geschliffen, der die Zerspanungseigenschaften des Materials berücksichtigt.


    Nun wurde der Oberschlitten um die halbe Steigung verschoben und der zweite Gang gedreht, das weitere Vorgehen erfolgte analog des Probestückes.


    Das fertige Gewinde mit gebrochen Kanten. Der Gewindedurchmesser ist um ein paar Zehntel größer gewählt, um dem leichten Verschleiß im Mutterngewinde Rechnung zu tragen. Das Probestück entspricht exakt den Zeichnungsangaben.


    Prüfen der Gängigkeit mit der Mutter, läuft leicht, aber ohne merkliches Spiel.


    Nun wurde noch die leicht beschädigte Dichtfläche des Gewindeeinsatzes überdreht.


    Abstechen des neu angefertigten Grundringes für die Stopfbuchse auf der Rückseite. Bei dem Ventil fehlte dieser, das Packungsmaterial wurde beim Anziehen der Überwurfmutter bis in das Spindelgewinde gedrückt.


    Für das Überdrehen des beweglichen Ventilkegels musste zunächst ein Drehdorn angefertigt werden, auf den der Kegel aufgepresst wird.


    Nun konnte es an den Zustammenbau der Unterbaugruppe gehen. Nach dem Aufpressen des Griffes auf die Spindel wurde die Passbohrung für den Kegelstift gebohrt und gerieben.


    Der Ventilkegel wurde mittels Klammer aus Kupferdraht auf der Spindel befestigt und die Stopfbuchse gepackt. Laut Zeichnung hatte das Ventil ursprünglich eine Spindel mit festem Kegel, der Umbau dürfte dann in der Lokwerkstatt der Fa.Halbach durch geführt worden sein, vielleicht als die Ventile an die JUNG 8293 angebaut wurden.


    Handgriff und Spindel sind exakt wie beim alten Teil markiert. Mit dem Einschlagen des "L" war man an dieser Unterbaugruppe sehr gründlich, insgesamt 11 Mal wurde im Laufe der Jahrzehnte die Einbaulage markiert.

    Soweit für heute, weiter geht es im nächsten Bericht mit dem Ventilgehäuse.

    Gruß Sven

  • ...gibt auch dreigängiges Gewinde.

    Eingesetzt weiden diese Gewinde dort, wo mit wenigen Umdrehungen ein großer Weg zurückgelegt werden soll. Stichwort "Bewegungsgewinde"

    Umsteuerspindeln an Dampfmaschinen, Ventilen, oder z.B. auch die Spindeln an den Schraubenkupplungen bei der Regelspur.

    Unter Umständen verlieren diese Gewinde ihre Selbsthemmung. Der Übergang zur Schnecke (Schneckengetriebe) ist nicht mehr weit ;)

    Gruß Micha

  • Hallo Nuke,

    im Prinzip ja. Was für die Spindel noch recht gut erkennbar ist, wird jedoch in Sicht auf das dazugehörige Innengewinde (Mutter) zum Problem. Es würde bei einem Gang nur noch ein schmaler Steg, mit großer Steigung stehen bleiben, dass übrige Material wäre bis auf den Außendurchmesser ausgebohrt. Damit wäre das Material zur Kraftübertragung nicht optimal genutzt.

    Gruß Micha

  • Mahlzeit!

    Die Arbeiten am Speiseventile geht weiter. Der Rückschlagventilkörper wurde aufgelötet und überarbeitet. Am Gehäuse wurden die Dichtflächen überdreht.

    35224231zq.jpg

    Der Ventilkörper des Rückschlagventils besaß mehr als 1 mm Spiel in der Verschraubung und musste daher an den Führungsflügeln aufgelötet werden.

    35224233di.jpg

    Das Auflöten der Führungsflächen war mit dem einfachen Kartuschenbrenner nicht ganz einfach, da die Flamme ziemlich groß ist und sich schlecht regulieren lässt. Da muss in Zukunft bessere Ausrüstung her.

    35224234gz.jpg

    Letztlich hat das Auflöten funktioniert, wenngleich damit kein Preis für Ästhetik gewonnen werden kann.

    35224374wv.jpg

    Im Ultraschallbad wird das Ventil anschließend gereinigt.

    35224236ic.jpg

    Das gereinigte Ventil ist bereit zur mechanischen Bearbeitung.

    35224238dq.jpg

    Die Führungsfläche wird auf die ISO-Passung 26 a11 gedreht und ergibt dann in Kombination mit der H11-Bohrung in der Ventilverschraubung das notwendige Spiel, entsprechend den vorhandenen Zeichnungsangegaben.

    35224239jo.jpg

    In der gleichen Aufspannung wird auch die Dichtfläche überdreht.

    35224240dj.jpg

    Die Rückseite wurde ebenfalls überdreht.

    35224243mk.jpg

    Auf der Fräse wurde anschließend das überschüssige Hartlot an den Seitenflächen der Flügel abgetragen, um die Strömungsverhältnisse zu verbessern.

    35224250tq.jpg

    Wegen der kurzen Spannfläche am Ventilkopf ist das Gegenhalten mit dem Reitstock notwendig.

    35224252bp.jpg

    Auf der Oberseite wurde anschließend noch ein Schlitz eingefräst, um das Ventil besser einschleifen zu können.

    35224248vs.jpg

    Nun lässt sich das Ventil auch mit einem Schraubendreher antreiben, was später im Betrieb das Einschleifen unter Dampf (bei geschlossener Ventilspindel) ermöglicht, ohne dass der Einsatz demontiert werden muss.

    35224255ck.jpg

    Der Hubfänger wurden an der Dichtfläche und der schräg abgenutzen Stirnfläche überdreht, um eine saubere Kontaktfläche beim Öffnen des Ventils zu erhalten.

    35224259bn.jpg

    Ventil und Einsatz sich fertig überarbeitet.

    35224264md.jpg

    Die restlichen Einzelteile des Ventils werden Stück für Stück aufgearbeitet.

    35224260bz.jpg

    Kürzlich konnte ich einen großen Posten neuwertiger Rohrwalzen übernehmen, zumindest eine davon passt zu den Heizrohren der Lok.

    35224261zi.jpg

    Die Lok wartet nun auf die aufgearbeiteten Speiseventile. Anschließend werden weitere Armaturen aufgearbeitet.

    Gruß Sven