Beschreibung der Eiderstedter Strecke Teil 2 (Bahnhof Tönning)
... kurze Einführung: Seit ich mein Zuhause im Norden (in Hamburg und Glückstadt) hatte, hat es mir die Kleinstadt Tönning mit ihrer besonderen Geschichte angetan (Liebe auf den ersten und zweiten Blick). Mehrmals im Jahr weile ich vor Ort und so betrachte ich Tönning und Umgebung mittlerweile als mein wahres Zuhause.
Der Anlass für den Bau der Bahn nach Tönning war der Güter- und Viehtransport. So existiert im hinteren (aber heute nicht mehr genutzten) Teil des Bahnhofes der Güterschuppen aus dem Eröffnungsjahr 1854. Im Jahr 1913 führte das Gleis 12 durch den Güterschuppen, der dadurch sehr beengt war. Der Fußboden lag nur 75 Zentimeter über der Schienenoberkante, was das Be- und Entladen schwerer Güter sehr erschwerte. Außerdem lag das Gleis etwa 30 Zentimeter unter dem Niveau der anderen Bahnhofsgleise und war deshalb bei starkem Regen oft überschwemmt. Daher beantragte der Bahnhof Tönning die Herausnahme des Gleises und den Umbau des Schuppens, so daß Gleis 13 das neue Schuppengleis wird. Dieser gewünschte Umbau erfolgte aber erst nach dem Jahre 1924. Einer Statistik zufolge, wurden im Jahr 1918 in diesem Güterschuppen 1516 Tonnen Stückgut empfangen und 881 Tonnen Stückgut versandt. Während des 2. Weltkrieges wurde im Güterschuppen ein Luftschutzbunker für das Bahnpersonal eingerichtet, welcher eine Fläche von 37 Quadratmetern hatte. Heutzutage befindet sich das Gebäude in Privatbesitz und ist in der Liste der denkmalgeschützten Gebäude der Stadt Tönning verzeichnet und ist das älteste weitestgehend original erhaltene Bahngebäude des ehemaligen Herzogtums Schleswig.
Detailansicht des Güterschuppens an der Straßenseite (Bild vom 25. November 2017)
Ebenso war von Beginn an ein Anschlussgleis zum Hafen vorhanden. Anfangs führte das Hafengleis noch durch den Deich und auf eine Wagendrehscheibe, von wo aus die einzelnen Anschlussgleise erreicht werden konnten. Im Jahre 1904 erfolgte ein Umbau des Bahnhofes und die Inbetriebnahme der beiden Stellwerke. Wahrscheinlich wurde seit diesem Zeitpunkt auch das Hafengleis über den Deich geführt. Die
einzelnen Anschlüsse erreichte man nun über Weichenverbindungen. Neben dem Güterumschlag auf die Schiffe an der Eiderkaje (Außenhafen) war auch die frühere Eider-Werft angeschlossen, auf deren Gelände sich später der Seefliegerhorst befand. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges siedelten sich in dessen Gebäuden erst die Eternit-Werke (Herstellung von Asbestplatten) und die Nissen-Elektrobau als Güterkunden an. Der Hafen Tönning wurde im Verzeichnis der Gütertarifpunkte vom 01. Juni 1970 sogar noch als eigener Gütertarifpunkt geführt. Seit 1972 wurden die Anlagen des Fliegerhorstes von einer Firma für Anlagentechnik zur Herstellung von Pumpen genutzt. Zuletzt wurde noch der Tonnenhof des Wasser- und Schifffahrtsamtes über das Hafengleis bedient. Heutzutage sind von diesen Anschlussgleisen am Hafen kaum noch Spuren zu entdecken. Der Bahnhof besteht aus zwei Bahnsteiggleisen, die stumpf an Schutzhalt-Tafeln enden. Eine Umfahrungsmöglichkeit für Triebfahrzeuge ist dadurch nicht mehr gegeben.
Es folgen einige historische Aufnahmen vom Bahnhof Tönning:
Das Bahnhofsgebäude des Bahnhofs Tönning (Kreisarchiv Nordfriesland)
Rangierlok im Bahnhof noch vor altem Bahnhofsgebäude
Blick vom Bahnsteig auf die umfangreichen Gleisanlagen des östlichen Bahnhofskopfes
Auszug aus einem Lageplan der Tönninger Hafenbahn aus dem Jahr 1904
Die Straßenseite des Empfangsgebäudes von Tönning im Zustand des Jahres 2011
Zeitungsausschnitt vom 19. Juli 1894: Wie eigenthümlich gewählt oftmals der Platz ist, den sich die Vögel für ihren Nesterbau aussuchen, zeigt ein in Tönning unter dem dortigen Hauptbahngeleise bei Weiche 19 gefundenes Vogelnest mit vier Jungen. Diese Weiche wird täglich von Maschinen und Wagen befahren, trotzdem fand das Weibchen Ruhe und Zeit, an dem beharrlich festgehaltenen Platze seine Eier auszubrüten.
Mein besonderer Dank geht an die Herren Fred Steen: Tönninger Geschichte und Alberto Brosowski VT 692 501-0
... das nächste Kapitel wird sich mit dem Streckenabschnitt von Tönning nach Garding beschäftigen.
Viele Grüße, René
(Mitglied der Gesellschaft für Tönninger Stadtgeschichte e.V.)