[USA] Spätsommer im Wilden Westen (1992)

  • Hallo zusammen,

    1992 konnten wir uns das erste Mal eine Reise in die USA leisten. Der Westen bzw Südwesten mit seinen bekannten Naturschönheiten war unser Ziel - die Städte hatten es uns weniger angetan. Damals konnte man noch nicht ohne Zwischenstopp einfach bis Frisco durchsegeln. Ein mehrstündiger Zwischenaufenthalt im Mittleren Westen war noch notwendig.

    Mit Zelt und dem kleinstmöglichen Mietwagen ging es dann vier Wochen lang auf Tour. Insbesondere die Zeltplätze in den Nationalparks waren noch sehr preiswert. Doch zunächst stand noch San Francisco unser Ankunftsort auf dem Programm. Hier natürlich besonders zu erwähnen, die Cable Cars - das historische schienengebundene Transportmittel. Mit 1067 mm Kapspurweite sicher auch zu den Schmalspurbahnen zählend.
    Damals noch nicht bzw nicht mehr in Betrieb war die historische Straßenbahn auf der Market Street - obwohl dort noch Gleise lagen. Und auf der heute viele befahrenen Strecke bis Fishermans Wharf lagen noch nicht mal (mehr) Gleise.

    Hier ein Blick von oben auf die Cable Car Strecke der "Powell und Hyde Str", mit der bekannten Alcatraz Gefängnisinsel im Hintergrund:

    Abgestellte Fahrzeuge an der Endhaltestelle / Anleger:

    Alles geht mit Handarbeit, das Drehen der Wagen auf den Drehscheiben und das Halten der Wagen durch den "Grip man" mit überdimensionalen Hebeln am stets durchlaufenen endlosen Stahlseil:

    Was sich lohnt, ist der Besuch des Cable Car Museums. Man lernt eine Menge, z.B. dass es früher noch viel mehr Strecken gab als heute.

    Die Wagen waren teilweise erstaunlich klein - so wie dieser reine Sommerwagen:

    Was nicht fehlen darf ist dann eine Mitfahrt:

    Das Schild in Chinatown konnten wir leider nicht entziffern. Nur in so viel, dass hier eine Haltestelle sein muss.

    In den schmalen Wagen geht es immer eng zu.


    Wenn's gefällt dann gerne mehr über den Wilden Westen - der eigentlich ja erst noch kommt. Paradoxerweise liegt er von hier aus im Osten.


    Viele Grüße

    Matthias

  • Die nächste Station war Jamestown. Einst Eisenbahnknoten am Fuße der Sierre Nevada im alten Gold-Zentrum von Kalifornien.

    Ein sehr ruhiges und vertrauenerweckendes Städtchen:

    Mit einem unverkrampften Verhältnis zu Handfeuerwaffen:

    OK, diese waren eher historische Ausstellungsstücke.

    Und hier mal eine typische Straßenszene:

    Der PickUp war vielleicht damals auch schon ein Oldie - aber die Autos zeigen schon, dass wir uns in einer vergangenen Epoche bewegen. Die typischen Amischlitten waren noch sehr präsent, die Koreaner, Japaner waren erst im Kommen.

    Szene an der Platform der Station:

    Abgestellte Wagen - als wir da waren, war natürlich "nix los":

    Nicht fehlen darf natürlich die typische Caboose:

    Die Sierra Railway war schon damals eine Museumsbahn, die Station mit all ihren noch original erhaltenen Bauten, BW und hölzerner Ringlokschuppen ein Bahnmuseum. Deswegen wurde das Esemble auch immer wieder gerne als Filmkulisse genutzt.

    Nicht fehlen darf auch der typische Wasserturm:

    Irgendwann hatte man Mitleid mit dem verrückten Deutschen, der überall herumschnüffelte und seine Nase in alles reinsteckte. Und so durfte ich ins Allerheiligste, in den Lokschuppen. Leider kamen nicht viele halbwegs verwertbare Aufnahmen heraus, denn den Blitz hatte ich zuhause gelassen:

    Eine 2-6-0, die Bauart heißt hier auch "Mogul". Man beachte das schwach erkennbare Hirschgeweih an der Frontlaterne.

    Eine Ford T Draisine:

    Ein besonders schnuckeliges Gefährt!


    So das war nun leider keine Schmalspur. Ich hoffe man möge mir diesen kleinen Ausrutscher verzeihen.
    Wir kommen aber bald in die 3-Fuß Zone - versprochen!


    Viele Grüße

    Matthias

  • Die nächste Bahn-Station auf der Reise war die Yosemity Mountain Sugar Pine Railroad.

    Besondere Bäume in der Sierra:

    Das heißt: ganz besonders große Bäume machten auch ein besonderes Transportmittel notwendig.

    Das erste Mal im Leben stehe ich vor einer Three Truck Shay unter Dampf:

    Ein ganz besonderes Unikum auf 914 mm Spurweite. Hier die antriebslose Seite.

    Hier nun die Antriebsseite der Lok mit drei stehenden Zylindern.
    Die Kraft wird auf eine Welle auf höhe der Drehgestelle übertragen. Die Beweglichkeit ergibt sich durch diverse Kardangelenke und Vierkant-Teleskop-Führungen zum Längenausgleich. Auf jedes der drei Drehgestelle - auch das unterm Tender - erfolgt die Kraftübertragung mit Kegel-Zahnrädern. Besonders schnell ist so eine Lok damit nicht - aber sehr kräftig. Uneben verlegte Gleise werden durch die Drehgestellkonstruktion locker weggesteckt, die Entgleisungsgefahr ist sehr gering.

    Hier noch mal der Antrieb im Detail:

    Jetzt wo ich hier die Bilder einstelle, höre ich wieder das typische Knacken und Rattern der Kegelradgetriebe, das diese Maschinen von sich geben.


    Ein sehr gewöhnungsbedürftiger Anblick ist die außermittige Kessellage aller Shays:


    Direkt von vorne sieht man das noch besser:


    Bevor sich die Lok für die Nacht in ihren Schuppen zurückzieht geht es noch mal zum Öl tanken:

    Obwohl es hier Holz genug gäbe, werden die Loks mit Öl gefeuert.

    In jeder Hinsicht typisch ist es, wie die Schienen hier noch genagelt sind und quasi einfach im Dreck liegen ohne Schotter. Das ist teilweise noch heute auf Vollspurstrecken so. Und jeder zweite Nagel ist nicht fest, schaut 1 bis 1,5 Zoll weit heraus! Pinoiertechnik vom allerfeinsten.

    Wer möchte kann in ausgehöhlten Baumstämmen auf Trucks montiert mitfahren:

    Oder in diesen halboffenen Wagen:

    Oder in diesen nüdeligen Draisinen - die fahren zur Beobachtung hinterher um Waldbränden vorzubeugen:


    Viele Grüße

    Matthias

  • Hallo Matthias,

    danke für diese interessanten Impressionen... natürlich auch für den "Ausrutscher". Bahn im Allgemeinen lebt auch vom Drumherum und somit auch von Hintergrundinformationen, denn nicht Jeder war schon überall und das zu jeder Zeit. :zwink: Ich zumindest bin für geschilderte Eindrücke dankbar.

    Viele Grüße, René

  • ... und weiter geht es.

    Die nächste Bahn-Station ist im Death Valley.

    Zuvor sind wir aber über diese interessanten frühindustriellen Ruinen gestolpert:

    Malerisch liegt ein alter Dampfkessel mit den Mauerresten des einstigen Gebäudes in der Wüste.

    Hier kommt schon der erste Zug:

    Aber keiner der auf Schienen fuhr und von einer Lok gezogen wurde. Es handelt sich um einen "20 Mule Train". 20 Maultiere mussten diese mit Borax (welches hier abgebaut wurde) gefüllten Wagen ziehen. Der Kesselwagen diente der Wasserversorgung der Tiere.


    Später hatte man ein Einsehen mit den armen Tieren, die hier bei fast 50° im Schatten leiden mussten - und erfand die Dampfmaschine.
    Hier eine sehr ungewöhnliche Konstruktion einer dreirädrigen Lokomobile mit Stehkessel:

    Auch dieser Zug fuhr noch ohne Schienen.

    Bis dann doch eine 3-Fuß Schmalspurbahn hierher gebaut wurde (2-8-0) Consolidation der Death Valley Railroad:

    Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Death_Valley_Railroad

    Auch wenn man das heute nicht mehr glauben mag: die USA waren einst bis in den hintersten Winkel mit Bahnstrecken erschlossen worden. Lange bevor das Auto seinen Siegeszug antrat. So gab es Bahnlinien zu allen tollen Sehenswürdigkeiten wie z.B Gand Canyon, Yosemity, Yellowstone. Bis auf die wieder eröffnete Grand Canyon RR sind so ziemlich alle anderen verschwunden.


    Draisine an der ehemaligen Station.


    Ein Feldbahn / Minenzug, vermutlich 2 Fuß (610 mm) Spurweite.

    Es stand noch so einiges andere hier herum:

    Den Zweck dieses Wagens a la Fred Feuerstein habe ich vergessen.


    Atemberaubend, die Farben (sind die wirklich echt auf meiner alten Analogfotografie?).

    Und die Formen:


    Bis zur nächsten Station!

    Matthias

  • Super Beitrag. Die Three Truck Shay musste ich mich mir gleich mal in YouTube anschauen. Sehr interessant mit der „Kurbelwelle“ über die gesamte rechte Lokseite. Habe ich vorher noch nicht gekannt.

    Viele Grüße,

    Ronald!

  • Hallo Gismo,

    die Shays waren wirklich sehr verbreitet und es sind viele davon erhalten geblieben. Neben Schmalspur gibt es auch Vollspurexemplare, wie ich auf einer meiner letzten Reisen gesehen habe.
    Es gab neben den Shays noch andere Drehgestell-Dampflok Konstruktionen speziell für die Waldbahnen wie z.B. Heisler und Climax. Eine Heisler oder Climax habe ich aber im Original noch nicht gesehen. Auch noch sehr beliebt - allerdings nicht auf den Waldbahnen - ist die Bauart Mallet (Big Boy, Challenger, Uintah RR).
    Was es nicht zu geben scheint ist die Bauart Meyer, die ja ähnlich kurvengängig wäre.

    Viele Grüße

    Matthias

  • ... und weiter geht's!

    Nach einer schlimmen Nacht unter freiem Himmel im Tal des Todes (wer hat eigentlich behauptet, dass es in der Wüste nachts kalt wird?), setzen wir die Fahrt fort Richtung Las Vegas und genießen die Aussicht und den kühlen Morgenwind hoch über dem Tal:

    Der Unterschied zwischen Natur und Stadt könnte krasser nicht sein:

    Der Strip, außerhalb des alten Casino Zentrums von Las Vegas, war damals noch quasi im Aufbau. Heute sind hier noch viel mehr Spielhöllen. Das Dampfer Casino ist heute schon wieder verschwunden und durch etwas anderes ersetzt.

    Man kam damals recht schnell wieder raus aus der Stadt in die Wüste. Heute hat sich die Stadt noch viel weiter ausgedehnt, man heute das Gefühl sie nimmt kein Ende. Es ist eigentlich unverantwortlich hier zu siedeln, denn es gibt nichts - vor allem kein Wasser. Alles muss mit riesen Aufwand beigeschafft werden.

    Also, schon bald nach der Stadt, in der Wüste traf man auf eine Art Eisenbahnmuseum im Aufbau:

    Schmalspurzug mit einer 2-8-0 Consolidation.

    Inzwischen gibt es hier in der Nähe eine Vollspur-Museumsbahn und Bahnmuseum, alles tip top in Schuss mit viel Geld. Aber dieser Zug ist dort nicht mehr - was wohl aus ihm wurde?

    Auch einige Vollspur Exponante waren hier aufgestellt:

    Ein kleiner Switcher (Rangierlok) der UP.


    Stationsgebäude mit abgestellten Wagen.

    Ebenfalls UP.


    Viele Grüße

    Matthias

  • Die Fahrt ging weiter in Richtung Hoover Damm.

    Dort trafen wir durch Zufall wieder auf Schmalspur Relikte.

    Zunächst dieser kleine "Feldbahn" Dampfer - erinnert sehr an ein LGB Modell:

    Spurweite hier wahrscheinlich 2 Fuß (610 mm).

    Oberhalb einer Spielcasino Zeile stand dieser 3 Fuß Zug als Blickfang:

    Eine leichte two truck shay mit ein paar Güterwagen.


    Aus der Perspektive sieht man sehr gut den Antrieb mit den Kegelrädern, Kardangelenken und Teleskopen.

    Man achte auch auf die sehr leichten Schienenprofile. Müsste höchstens um die 10 kg/m (S10) herum sein - also Feldbahn.

    Von der Rückseite her war der Zustand erbärmlich.


    Viele Grüße, Matthias