Kleinbahn Ellrich - Zorge (Zorger Willem)

  • Hallo,

    in einem anderen Thread wurde der "Zorger Willem" thematisiert. Für mich Grund genug, dieses ehemalige Projekt und die vorherige Entwickung der Kleinbahn Ellrich - Zorge kurz vorzustellen.

    Seit dem Jahre 1907 bestand im Bahnhof Ellrich der Südharzstrecke Nordhausen - Herzberg die Möglichkeit, in die Kleinbahn nach Zorge umzusteigen. Während diese Eisenbahnstrecke die Wirren des 1. Weltkrieges überstand, sollten die politischen Folgen des 2. Weltkrieges der Kleinbahn ein jähes Ende bereiten.

    Betriebsstellen der ehemaligen Kleinbahn:

    km 0,00 Ellrich Anschlussbahnhof (ab 1943 als Ellrich West bezeichnet)
    km 1,26 Ellrich Stadtbahnhof
    km 3,55 Haltepunkt Königsstuhl
    km 4,42 Haltepunkt Unterzorge
    km 7,32 Bahnhof Zorge

    Der Verkehr auf der Kleinbahn wurde am 06. April 1945 eingestellt. Später kam es noch zu einigen Holztransporten für die amerikanische Armee.

    Entwicklung im westdeutschen Teil

    Die Verwaltung des auf westdeutschen Gebiet verbliebenen Teilstücks der ehemaligen Kleinbahn wurde nach Kriegsende einem Treuhänder übergeben. Ab Ende 1967 wurden die inzwischen dicht zugewachsenen Gleise auf Veranlassung des Treuhänders abgebaut. Am 27. August 1975 wurde das Restvermögen der ehemaligen Kleinbahn an die früheren Gesellschafter ausgezahlt. Damit war die "Eisenbahn AG Ellrich Zorge" 30 Jahre nach Stilllegung des Bahnbetriebes vollständig aufgelöst.

    ... Fortsetzung (Anschlussbahn im Bereich Ellrich) folgt

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo,

    weiter geht es mit dem Bericht, nun über die Anschlussbahn.

    Die Anschlussbahn Ellrich West (oder Anschlussbahnhof) - Königsstuhl - Staatsgrenze nach Kriegsende

    Laut amtlicher Streckenkarte der Rbd Erfurt aus dem Jahre 1953 befand sich das Ende der ehemaligen KEZ im Streckenkilometer 3,95.

    In der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR ging die Auflösung der Kleinbahn AG schneller vonstatten. Die Trasse vom Ellricher Anschlussbahnhof bis zur Grenze wurde im Zuge der Verstaatlichung fast aller Privatbahnen am 01. April 1949 der Deutschen Reichsbahn zugeordnet. Der Bahnhof Ellrich Stadt und die Haltestelle Königsstuhl löste man am 01. November 1951 als solche auf und wandelte die Bahnanlage in eine Anschlussbahn um. Nach Schließung der Grenze im Jahre 1952 wurden die Eisengießerei Busse (am Königsstuhl) und die Ellricher Sandgruben (am Stadtbahnhof) in die planwirtschaftliche Produktion der DDR eingebunden, obwohl die E. Busse KG erst 1971 ein volkseigener Betrieb wurde. Die stillgelegte Ziegelei Königsstuhl, genau auf dem Grenzstreifend liegend, sprengten NVA-Soldaten. Die Trümmer wurden nach einiger Zeit in die umliegenden Tongruben geschüttet und das Gelände eingeebnet.

    Bis 1969 wurden die Gleisanlagen von Kleinlokomotiven der Deutschen Reichsbahn bedient. Danach beschafften die Anschließer eine Werklokomotive. Dabei handelte es sich um eine 220 PS starke Maschine des Typs V22 (LKM Babelsberg / Bj. 1968). Die Lokomotive wurde am 22. Mai 1969 in Dienst gestellt. Am 16. Juni 1969 gestattete der Bevollmächtigte für Bahnaufsicht in Erfurt eine eigene Betriebsführung der Anschlussbahn mit dieser Lokomotive. Eine im August 1969 stattgefundene Überprüfung der Bahnanlage führte zu der Entscheidung, dass die Lokomotive nur in der Tagschicht eingesetzt werden darf. Die Lok gehörte bis 1991 zur KEZ-Reststrecke und hat die Anschlussbahn nur für Instandhaltungsmaßnahmen im Bw Nordhausen oder RAW Halle verlassen.

    Die Gleisanlagen des Ellricher Anschlussbahnhofs wurden zu DDR-Zeiten zurückgebaut. Zur Bedienung der Sandgruben und der Eisengießerei richtete man einen direkten Anschluss am westlichen Kopf des Reichsbahnhofes ein. Im Bereich der ehemaligen Gleise 1 und 2 des Anschlussbahnhofes befand sich danach eine Kohleverladung.

    Die Werkbahnlok, von der angenommen wird, dass sie 1968 an den VEB ELSO Sondershausen ausgeliefert worden ist, kehrte nach ihrem letzten Aufenthalt im RAW Halle im September 1991 nicht mehr nach Ellrich zurück, sondern gelangte zu den Nordhäuser Kieswerken. Noch zu DDR-Zeiten war die Ellricher Sandgrube auf Wunsch der dortigen Belegschaft diesem Betrieb unterstellt worden, der seit der Wende als "Kieswerke GmbH Nordhausen" firmierte. Dafür gaben die Kieswerke eine baugleiche Lokomotive (Bj. 1972) an die Sandgrube Ellrich ab. Die betriebsfähige Lokomotive wurde vor dem Lokschuppen in Ellrich Stadt abgestellt, da die Sandwerke ab 1991 ihre Transporte auf die Straße verlagert hatten.

    Nach der Wende wurde die Eisengießerei am Königsstuhl geschlossen. Die Gleisanlagen zwischen dem Anschluss Sandwerke und der ehemaligen Haltestelle Königsstuhl wurden in der ersten Hälfte der 1990-er Jahre abgebaut. Am 02 April 1992 hat ein Alteigentümer die Sandgrube mit dem Bahnhofsgelände von Ellrich Stadt, samt Gebäuden und Lok, übernommen. Das neue Feinsandwerk "Ellrich Sand GmbH" (ELSA) beabsichtigte, den Gleisanschluss zu reaktivieren. Doch bevor es dazu kam, kündigte die Deutsche Bahn AG per 30. September 1995 den Anschlussbahnvertrag.

    Damit endete die Geschichte normalspurigen Bahnverbindung zwischen Ellrich und Zorge endgültig.

    Gleisanschlüsse:

    km 1,10 Formsandgrube Ellrich (Länge des Anschlussgleises 260 Meter; Inbetriebnahme 1908)
    km 3,52 Eisengießerei Busse (Länge des Anschlussgleises 30 Meter; Inbetriebnahme 1933)

    ... Fortsetzung (Zorger Willem) folgt

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo,

    für den heutigen Tag fehlt noch ein Kapitel.

    Der Zorger Willem

    Im Laufe des Jahres 2003 entstand der Plan, die Eisenbahnstrecke Ellrich - Zorge zu neuem Leben zu erwecken. Nachdem im genannten Jahr eine Wiederbelebung der Aktiengesellschaft gescheitert war, wurde der Förderverein "Zorger Willem" gegründet. Als Partnerin holte man sich die "Feld- und Kleinbahn Betriebsgesellschaft gGmbH" mit ins Boot, welche z.B. das Rollmaterial zur Verfügung stellen sollte. Der Förderverein plante den Wiederaufbau in 600 Millimeter Spurweite. Schon 2004 sollte auf dem ersten Streckenabschnitt beim Kurhaus (heute Spirituosenmanufaktur Hammerschmiede) in Zorge der Betrieb aufgenommen werden. Doch die Baugenehmigung verzögerte sich und am Ende des Jahres wurde für die Teilstrecke auf niedersächsischem Territorium ein ablehnender Bescheid erteilt. Obwohl die Stadt Ellrich daraufhin einen teilweisen Wiederaufbau in Zusammenarbeit mit dem Verein favorisierte, wurden die Aktivitäten seitens des Vereins eingestellt, da das Vorhaben hauptsächlich von Zorge aus initiiert worden war. Die schon in Zorge befindlichen Fahrzeuge wurden am 18. August 2005 nach Finkenwerder überführt.

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo Volker,

    danke für das Zeigen des Bildes. Ich habe nur private Aufnahmen aus 1997 und 2007. Da existierten noch einige Relikte der Bahn. Ich habe mir 2007, zum damaligen Zeitpunkt wohnhaft in Sülzhayn bei Ellrich, ein kleines Büchlein über die KEZ zum privaten Gebrauch zusammengestellt. Übrigens auch eine sehr schöne Gegend des Harzes, die nicht von Touristen überschwemmt ist. Vielleicht führe ich das Thema noch mit einigen textlichen Informationen fort, die nicht im Netz für Jedermann sofort verfügbar sind.

    Viele Grüße, René

  • Hallo Rene,

    zu dieser Kleinbahn ist auch schon ein kleines Büchlein erschienen, dass ich mir erst vor ca. 5 Jahren zugelegt habe, obwohl es schon 1987 erschienen ist:


    Titel Erinnerungen an die Südharzer Eisenbahngeschichte – Die Kleinbahn Ellrich – Zorge,

    Der Lokomotivbau in Zorge

    Autor Manfred Dittmann

    Verlag Verlag H. Greinert, Clausthal-Zellerfeld

    Jahr 1987

    Auflage 1.

    ISBN-Nr. nicht vorhanden

    Bemerkung Geschichte der ehemaligen Kleinbahn von Ellrich - Zorge an der Grenze Niedersachsen / Thüringen

    Grüße

    -railfox-

  • Hallo Bahnfuchs (das hört sich irgendwie nett an) :zwink:

    das Buch hatte ich auch in meinem Bestand. Für mein eigenes Projekt habe ich mir die wichtigen Infos herausgezogen. Ich habe es dann aber abgegeben. Ich brauche die Informationen ja nicht doppelt.

    In diesem Manuskript blättere ich sehr gerne mal. Gelegentlich bin ich auch nochmal in Ellrich und Zorge und gucke dann immer noch, wie es um die Relikte bestellt ist. Vielleicht mache ich bei Gelegenheit mal ein paar Bilder vom aktuellen Zustand.

    Viele Grüße und einen sonnigen Sonntag,
    René

  • Hallo,

    es folgt nun eine kurze Streckenbeschreibung der ehemaligen Kleinbahn von Ellrich nach Zorge.

    Die Kleinbahn begann am Staatsbahnhof Ellrich. Der nördlich der Staatsbahngleise gelegene Bahnhof der Kleinbahn trug den Namen "Ellrich Anschlussbahnhof" (später "Ellrich West"). Die Trasse führte von hier aus in nordwestlicher Richtung und parallel zur Strecke nach Herzberg. Von dieser entfernte sie sich nach 600 Metern, indem sie in nördliche Richtung schwenkte, die sie nun bis zum Endbahnhof weitestgehend beibehalten sollte.

    Nach etwas mehr als einem Kilometer war schon der Bahnhof "Ellrich Stadtbahnhof" erreicht. Hier befand sich der Betriebsmittelpunkt der Bahn mit Empfangsgebäude und Lokschuppen. Hier befand sich auch der wichtige Anschließer der Bahn, die "Ellricher Formsandgrube". Weiter führte die Strecke in nördlicher Hauptrichtung, erreichte im Kilometer 3,55 die Haltestelle "Königsstuhl" mit dem Anschluss der "Eisengießerei Busse". Die Landesgrenze zwischen Preußen und Braunschweig befand sich im Streckenkilometer 3,968. Noch vor der Landesgrenze befand sich im Kilometer 3,95 die Weiche für das Anschlussgleis der "Eisengießerei Fischer", deren Betrieb auf braunschweigischen Territorium gelegen war. Heute befindet sich in den Gebäuden die "Fensterbaufirma Heidecke". Nun querte die Strecke die Landstraße von Zorge nach Walkenried, um im Kilometer 4,62 den Anschluss der "Harzer Werke AG" (heutzutage "Harz Guss Zorge") zu erreichen. Befand sich der Haltepunkt "Unterzorge" zunächst in Kilometer 4,42, wurde er später hinter die nochmalige Kreuzung mit der Landstraße nach Walkenried (Kilometer 5,05) in den Kilometer 5,07 verlegt. Hinter dem Haltepunkt überquerte die Bahnlinie den Illigesbach, um dann linkerhand die Kistenfabrik (Anschluss in Kilometer 5,22) zu passieren. Im Kilometer 5,23 überquerte die Trasse den Fluss Zorge mit Hilfe einer stählernen Trägerbrücke von 7 Meter lichter Weite. Hiermit wechselte die Streckenführung von der westlichen auf die östliche Talseite. Die Strecke folgt nun immer parallel dem Flusslauf bis zum Endbahnhof Zorge in Kilometer 7,32 mit seinem Empfangsgebäude. Die Gesamtlänge aller verlegten Gleise (ohne Anschlussgleise), die im Besitz der der Kleinbahn waren, betrug 8,56 Kilometer.

    Im Jahr 2006 befand sich bei den früheren Harzer Werken in Kilometer 5,0 noch ein Gleisstück der ehemaligen Kleinbahn.

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo,

    eine kleine Fortführung der Dokumentation mit Bildern vom Stadtbahnhof Ellrich aus dem Jahr 1997. Die originalen Aufnahmen befinden sich bei meinem Onkel in Dessau, weshalb ich sie hier aus meinem kleinen Büchlein gescannt habe. Die dadurch mäßige Qualität bitte ich zu entschuldigen, da die Aufnahmen aber nicht wiederholbar sind und das Notwendige erkennbar ist, möchte ich sie im Rahmen der spontan entstanden Doku trotzdem zeigen.

    Das erste Bild zeigt die Strecke kurz vor dem Stadtbahnhof Ellrich, welche hier durch einen Einschnitt führte. Die Brücke ist heutzutage nicht mehr vorhanden. im Hintergrund ist schon der Lokschuppen erkennbar.

    Es folgt eine Übersichtsaufnahme über den Stadtbahnhof. Wie man sieht, war auch im Jahre 1997 noch die Werklok vor dem Lokschuppen abgestellt.

    Man kann wohl erkennen, dass der Eigentümer tatsächlich gerne den Bahnbetrieb zur Sandgrube aufrechterhalten hätte. Am Bahnübergang der Straße Ellrich - Walkenried endeten damals die Gleise. Der Abschnitt Stadtbahnhof - Königsstuhl war zum damaligen Zeitpunkt schon zurückgebaut.

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo Rene,

    ich habe mir gerade den Artikel zur Kleinbahn Ellrich - Zorge n dem Buch "Archiv deutscher Klein- und Privatbahnen, Band Thüringen/Sachsen" vom transpress-Verlag, 1994 erscheinen, durchgelesen.

    Und auch hier der "übliche" Ärger in einem nach der Wende erschienenen Buch der transpress-Reihe: Während die Geschichte zur Kaiserzeit, in der Weimarer Republik und im Dritten Reich seitenlang ausgewältzt wird, wird die DDR-Geschichte dieser späteren Anschlußbahn (immerhin rund 40 Jahre) nur nebenbei in ein- bis zwei Sätzen abgehandelt. Das ist mir eindeutig zu dürftig. Die wenigen Jahre nach der Wende werden gar komplett unter den Tisch fallengelassen.

    Ich würde mir wünschen, dass für die mittlerweile auch schon gebrauchten "Neuen Bundesländer" bei Gelegenheit eine neue Archivreihe zu jenen Privatbahnen erscheint, die nicht schon zwischen 1850 und 1921 zu Staatsbahnen wurden. (ich selbst bin mit Projekten zu Privatbahnen schon ausgelastet und kann da bestenfalls zuliefern).

    Ebenso war klar, dass ein Großteil der in ganz Deutschland verstreut liegenden Infos zu Privatbahnen so schnell nach der Wende noch gar nicht in die Archiv-Reihe einfliessen konnte. Der Versuch , auch den Westen zu erfassen, wurde gottlob nach dem missglückten
    Band "Niedersachsen" eingestellt, wo der bereits verstorbene Autor Wolfgang Rogl ein grottenschlechtes Werk ablieferte. (Diverse Bahnen wurden einfach weggelassen, Bildunterschriften waren fehlerhaft, Loklisten extrem unvollständig, wichtige Anschlußgleise nicht erwähnt - obwohl jene Unterlassungen schon längst publiziert waren und damit zur Verfügung standen.

    Die Kleinbahn Ellrich -Zorge hat, auch aufgrund ihres besonderesn "Charmes" als Opfer der deutschen Teilung es eigentlich verdient, in einem erweiterten Buch als jenes von Herrn Dittmann gewürdigt zu werden.

    Grüße aus dem Rheinland

    -railfox-