Molli in Heiligendamm entgleist

  • Hallo Lenni,
    EDIT: Im oben verlinkten Video ist der Ablauf schön erklärt, daher nur mal ein Beispiel von "unserer" Bahn, bei der im Grundsatz dieselben Anforderungen an die Sicherheit auf anderem Wege erfüllt werden.
    Bei uns in Vatterode haben wir ja elektrische Weichen und Lichtsignale. Um z.B. eine Einfahrt von Signal A nach Wippergrund Gleis 1 zu stellen, muß Weiche 2 auf Abzweig gelegt werden. Die Weiche hat einen selbsttätigen Zungenverschluß, kann sich also aus der Endlage, wenn der Verschluß intakt ist, was durch entsprechende Kontakte selbsttätig überwacht wird, nicht von selbst umstellen. Dann kann Signal A auf Fahrt gestellt werden. Die Relaistechnik verhindert nun, wie der Fahrstraßenhebel im mechanischen Stellwerk, daß ich die Weiche umlege, solange das Signal auf Fahrt steht. Anders als beim mechanischen Stellwerk mit Bahnhofsblock kann ich aber jederzeit das Signal wieder auf Halt stellen und dann die Weiche umlegen, weil keine festgelegte Fahrstraße vorhanden ist. Der einfahrende Zug bewirkt durch Schließen eines Stromkreises, daß das Signal A selbsttätig auf Halt "fällt". Gleichzeitig kann die Weiche 2 nicht umgelegt werden, solange der Zug einen isolierten Gleisbereich, der die Weiche umfaßt, befährt. Diese Sperre ist durch eine Zeitautomatik noch zusätzlich abgesichert. Jedoch ließe sich, ähnlich der Fahrstraßenhilfsauflösung, die Weiche mit der Weichenentstörtaste umlegen, egal, ob sie durch den Zug befahren wird bzw. das Signal A auf Fahrt steht. Und auch diese Weichenentstörtaste ist mit einem Zählwerk gekoppelt. Das bedeutet: Wenn der Zug auf Weiche 2 in Wippergrund entgleist, dann hat a) der Fdl die Weiche 2 mit der Weichenentstörtaste unter dem Zug umgelegt oder b) die Sicherungstechnik (Relais, Zungenverschluß, Überwachungskontakte) war defekt. Fall a) läßt sich durch Vergleich der Zählwerkstände im Arbeitsbuch und am Stellpult ermitteln und Fall b) durch "Obduktion" der Sicherungstechnik.
    So, ich hoffe, ich habe das soweit richtig dargelegt. Jedenfalls finde ich den Bereich der Leit- und Sicherungstechnik, welcher "hinter den Kulissen" selbst für viele Eisenbahnfreunde oft verborgen bleibt, ausgesprochen interessant. Das macht gerade den Reiz der "Pioniereisenbahnen" aus, daß man da auch sowas lernt und versteht, wie Sicherheit im Bahnverkehr gewährleistet wird.
    Grüße,
    Rolf

  • Hallo,

    im Ausgangsbeitrag wurden keinerlei Vermutungen (sehr positiv!) ausgesprochen. Das eine Weichenzunge während der Überfahrt eines Zuges nicht mehr ordnungsgemäß anliegt, kann auch technische Ursachen wie z. B. Schienenbruch im Zungenbereich oder Femdkörper oder Schaden an der Stellvorrichtung oder sonstwas sein.
    Ich würde daraus nicht unbedingt auf ein zu frühes Umlegen der Weiche schließen. Warten wir doch einfach das Ergebnis der Untersuchung der Unfallursache ab, u. beteiligen uns nicht an Spekulatius.
    Den Verletzten wünsche ich vollständige Genesung.

    Beste Grüße

    Holger

  • Lieber Stefan, lieber Rolf,

    ich danke für die Ausführungen. So ähnlich hatte ich mir das vorgestellt, wusste aber nicht wie die Sicherung dann wirklich abläuft! In der Tat sehr spannend und gut gemacht!

    Das Video ist ebenfalls sehr gut gemacht, danke auch dafür!

    An Holger: das sehe ich genau so, Spekulation ist hier sicher nicht angebracht und die Genesung sollte an erster Stelle stehen. Mich hatte bloß (weil die Wörter in diesem Zusammenhang auftauchten) der Ablauf interessiert, um auch selber eben "einschätzen zu können", wie wahrscheinlich welcher Fall sein könnte.

    Einen schönen Abend,
    Lenni

  • Hallo zusammen,
    Vielen Dank in die Runde für die Erläuterungen und ein ganz besonderes Dankeschön für den sachliche und ruhige Diskussion.
    Wegen dieser absolut positiven Umgangsformen schätze ich dieses Forum so sehr - Daumen hoch!
    Sorry für die kurze Offtopic-Abschweifung.

    mit freundlichen Grüßen aus Frankfurt
    Marcus

    Feldbahnmuseumselektriker

  • Hallo zusammen,

    blöd gelaufen. Woran es liegen könnte wurde ja schon genannt und mit dieser Vermutung gehe ich auch mit. Was ich jedoch interessant finde, ist der Standort des vorderen Zugteils auf den Fotos.

    Gruß, Thomas

  • Hallo Thomas,

    Das ist der Standort wo sich die entgleisten Wagen sich befinden ca 70m hinter dem Bahnübergang in Heiligendamm wo sich die erste Einfahrweiche sich befindet.
    Die ersten vier Fahrzeuge sind noch heil rüber gekommen, die nächsten drei sind entgleist wegen der falsch gestellte Weiche,(warum auch unbekannt wird ja bald aufgeklärt werden) und der Letzte Wagen war auch noch auf dem Gleis. Der ist unbeschadet davon gekommen.
    Die drei entgleisten Wagen werden erstmal einer technischen Untersuchung übersich ergehen lassen.

    Gruß Frank aus Bad Doberan

  • Hallo Thomas,

    die Weiche wurde unter dem einfahrenden Zug umgestellt. Das erklärt warum die Lok und die ersten drei Wagen unbeschadet die Weiche passiert haben. Hier ein Handybild, aufgenommen wenige Minuten nach dem Unfall. Die Rettungskräfte waren recht zügig vor Ort, Polizei und weitere Molli-Hilfsmannschaften waren zu dem Zeitpunkt jedoch noch nicht vor Ort:

    Die Lok und die ersten drei Wagen wurden kurze Zeit später vom verunfallten Zugteil abgekuppelt und sind bis Höhe EG vorgefahren. Das ist dann eben auf den Bildern von Frank zu sehen.

    Gruß aus Kühlungsborn

    Robert D.

  • Mal ne blöde Frage...

    In Heiligendamm werden die Weichen und Signale ja mittels Seilzug gestellt. Was passiert, wenn sich irgend ein Depp auf so ein Seil draufstellt, draufspringt? Die Sperren sind doch im Stellwerk und nicht an der Weiche? Dort ist doch nur ein Kontakt, welcher über die Endlage berichtet?

    mfg André, einem signal/weichentechnisch Unbegabten

  • Was passiert, wenn sich irgend ein Depp auf so ein Seil draufstellt, draufspringt?

    Der fliegt hoffentlich richtig auf die Nase! Der Weiche ist das jedoch völlig egal, ob dort jemand an den Seilen herumturnt, denn die ist in Endlage mit ihrem Spitzenverschluss gesichert.