Dampfloks mit Öko-Befeuerung

  • Hallo Lenni,

    aus der Praxis kann ich sagen, dass es für mich keine fühlbaren Unterschiede gibt, wenn alle Bedingungen gleich sind, nur eben die Umgebungstemperatur eine andere ist. Das Feuer entwickelt die gleiche Temperatur, abhängig von Kohlemenge, Feuerführung und Heizwert und die Speisepumpen bzw. Strahlpumpen wärmen das Wasser mit dem gleichen Dampf auf die gleiche Temperatur vor. Kessel sind entweder mit Glasgespinstmatten oder mindestens mit Luftschicht isoliert. Darum ist die Sonneneinstrahlung auf den Kessel immer abgeschirmt.
    Es gibt dann allerdings gewaltige Unterschiede, wenn man den eigentlichen Prozess der Dampfentwickung einmal verlässt.

    1. Speisewasser, das mit Strahlpumpen gefördert werden soll, sollte möglichst kühl sein. Eine Strahlpumpe kann nur fördern, wenn der Dampf, mit dem sie betrieben wird, vollständig kondensieren kann. Darum können Strahlpumpen ab einer Wassertemperatur in den Wasserkästen von 30°C vermehrt Probleme bereiten, ab 50 °C setzen sie aber spätestens aus, weil das warme Wasser den Dampf nicht mehr ausreichend bis zur Kondensation abkühlt. Also versucht man im Sommer möglichst kaltes Wasser im Wasserkasten zu haben, denn die schwarzen Tenderflächen erwärmen das Wasser natürlich zusätzlich. Dieses kühle Wasser erreicht den eigentlichen Kessel natürlich nicht und wird auch durch die Strahlpumpe auf eine Temperatur von 60 - 70 °C vorgewärmt (egal ob im Sommer oder Winter). Einer Speisewasserkolbenpumpe ist die Temperatur des Tenderwassers natürlich egal. Sie fördert auch warmes Wasser. Aber sie funktioniert mit der benötigten Leistung nur, wenn der Regler offen ist und Abdampf zur Verfügung steht. Als zweite Speiseeinrichtung haben also auch diese Kessel eine Strahlpumpe, damit im Stillstand oder Leerlauf Wasser gespeist werden kann.

    2. Im Sommer verringern sich die Kondensationsverluste in der Dampfmaschine und den Rohrleitungen, weil der Dampf diese Teile viel schneller erwärmen kann. Darum sinkt der Dampfverbrauch, was sich natürlich auch im Kohle- und Wasserverbrauch bemerkbar macht.
    Im Winter geht zudem viel Dampf durch zusätzliche und längere Vorwärmphasen der Dampfmaschinen verloren, während die Lok steht und somit keine Leistung erbringt.

    3. Im Sommer wird natürlich kein Heizdampf für die Zugheizung benötigt, so dass weniger Dampfverbrauch auch den Verbrauch an Betriebsstoffen reduziert.

    4. Im Sommer ist es länger hell, so dass die Lichtmaschine nicht so oft und so lange genutzt werden muss (sofern nicht das Fahren mit Licht am Tage vorgeschrieben ist). Damit ist ein Verbraucher weniger im Einsatz, was sich vor allem bei kleinen Kesseln bemerkbar macht.

    5. Natürlich rollt ein Zug im Winter schwer. Gründe können Schnee und Eis, aber auch allein ein zäher Schmierstoff in den Lagern sein. Das erhöht den Dampfverbrauch.

    Es gibt sicher noch weitere Faktoren, die mir jetzt auf die Schnelle gerade nicht einfallen.

    Somit gibt es einige Einsparmöglichkeiten, die dem Heizer im Sommer das Leben u.U. etwas leichter machen. Aber mit dem eigentlichen Prozess der Dampferzeugung unter verschiedenen Temperaturbedingungen nichts zu tun haben.
    Unterschiede mag es geben, die rechnerisch einen gewissen Unterschied ausmachen. Etwa auch das Temperaturgefälle zwischen Kohlestück und Feuerbett beim Aufwerfen des Brennstoffs. Ich kann mir vorstellen, dass ein Stück Steinkohle nahe dem Gefrierpunkt eine größere Wärmemenge zum Entzünden benötigt, als ein "vorgewärmtes" Stück gleicher Qualität und Größe.
    Das ist aber sicher nicht so gravierend, dass es dem Heizer auffallen würde.

    In meinem Alltag kann ich diesen Vergleich kaum anstellen, weil die Züge bei uns im Winter allgemein viel kürzer sind, geheizt werden müssen und auch oft nicht so gut besetzt sind wie im Hochsommer.

    Eines kann ich aber mit Bestimmtheit sagen. Der Wasserverbrauch des Lokpersonals ist im Hochsommer um ein vielfaches höher, als im Winter. Dann steigt der Kaffeeverbrauch stark an. :zwink:


    Viele Grüße

    Dampfachim

  • Hallo zusammen: auf Grund der derzeitigen Hitze (wir können das Haus grad nicht verlassen) habe ich mal eine Frage:
    Wie verhält sich der Kohleverbrauch im Sommer...ist der signifikant geringer, oder macht das dann doch keinen so großen Unterschied? Das ist eine ernst gemeinte Frage, da ich darüber noch nie etwas gelesen habe....

    Liebe Grüße,
    Lenni

    Hallo
    Mit ein bisschen rechnen komme ich, und das entspricht meiner Beobachtung als Heizer, auf folgendes:
    12 Bar Druck (genauer: Überdruck) entsprechen einer Wassertemperatur von 190 Grad mit einem Wärmeinhalt von 2786 KJ/Kg, aufgeteilt in den Wärmeinhalt vom Wasser von 815 KJ /Kg und 1971 KJ/Kg Verdampfungswärme.
    https://www.vdfnet.de/files/HAUPTSEI…oads/vdf020.pdf

    Der spezifische Wärmeinhalt von Wasser ist bei 4,186 kJ/kg und Grad. Bei einer Temperaturdifferenz von 15° Sommer/Winter macht das gerade 62 KJ/Kg aus. Also gerade 2%. Das liegt innerhalb der natürlichen Streuung.
    Was aber nicht zu vernachlässigen ist, wären die Heizung und allenfalls die Schwergängigkeit des Rollmaterials.
    Gruss Guru

    2 Mal editiert, zuletzt von guru61 (25. Juli 2018 um 08:16)

  • Hallo Guru,
    das ist ein guter Hinweis, denn wir hatten nicht bedacht, dass der größte Teil der Energie nicht für das Erwärmen des Wassers bzw. Dampfs benötigt wird, sondern für die Verdampfung. Daher spielt die Ausgangstemperatur des Wassers nur eine geringe Rolle.

    Viele Grüße,
    Eckhard

  • So das war doch mal nach dem Motto: wer nicht fragt, bleibt dumm :crazy: So qualifizierte antworten auf eine doch eher laienhafte Frage waren ja nicht unbedingt zu erwarten.

    Ich habe durch Achim noch 2 Dinge gelernt: Dass nämlich die Strahlpumpe bei kaltem Wasser besser funzt als bei warmen: das hätte ich mir zwar denken können, habe den Gedanken aber nie in Angriff genommen.
    Was ich aber wirklich nicht wusste, ist, dass die Kolbenpumpe am Regler hängt!! Eine durchaus gute Information für mich.

    Also, Guru und Achim: habt dank für Eure Erläuterungen!

    Grüße,
    Lenni

  • Hallo zusammen,

    wem es gerade zu warm ist, der kann gern mal in ein altes Thema (Rügen im Schnee) reinschauen, wo wir darüber diskutiert haben, wie eine Dampflok im Winterbetrieb funktioniert. Außerdem hatten wir das Thema schon mal im alten Forum.

    Viele Grüße,
    Eckhard

  • Ich habe durch Achim noch 2 Dinge gelernt: Dass nämlich die Strahlpumpe bei kaltem Wasser besser funzt als bei warmen: das hätte ich mir zwar denken können, habe den Gedanken aber nie in Angriff genommen.

    Also, Guru und Achim: habt dank für Eure Erläuterungen!

    Grüße,
    Lenni

    Hallo Lenni
    Bitte, gerne geschehen.
    Injektoren sind wirklich verwöhnte Tanten.
    Da könnte ich einiges erzählen. :B

    Gruss Guru

  • Hallo Guru,

    bei Euch heißt's Injektor, bei uns Strahlpumpe. Gemeint ist das Gleiche. Und die Dinger sind gern zickig. Da hilft nur eines. Ruhe bewahren. Wer an der Strahlpumpe planlos rumdreht und mit jedem vergeblichen Versuch immer nervöser wird, hat schon verloren.

    Lenni: Keine Speiseeinrichtung hängt am Regler.
    Da werde ich mal erklären, was gemeint ist.

    Speisewasserkolbenpumpen sind Pumpen, die das kalte Wasser aus dem Tender ansaugen und dann über einen gesonderten Vorwärmer in den Kessel fördern. Es gibt verschiedene Pumpenbauarten, auch Pumpen die separat Kalt- und Warmwasser fördern. Darauf will ich jetzt nicht eingehen, weil es mit dem eigentlichen Vorgang nichts zu tun hat. Interessanter sind die beiden in Deutschland bewährten Vorwärmerarten (ich sag nicht Bauarten, weil es da wieder große Unterschiede gibt). All diese Vorwärmer heizen das Wasser vor dem Einspeisen in den Kessel mittels Abdampf der Dampfmaschine, in geringem Maße auch dem Abdampf von Luftpumpe, Speisepumpe und Lichtmaschine, auf eine Temperatur um die 90°C vor. Der Abdampf wird jeweils vom Ausström- bzw. Blasrohr abgezweigt. Der größte Teil des Abdampfes wird aber weiterhin für das Blasrohr und damit zur Feueranfachung gebraucht.

    Einerseits und allen Fans der sächsischen Schmalspurbahnen von den Einheitsloks der BR 99.73-76 bekannt, sind es Oberflächenvorwärmer. Diese Röhre wird mit Speisewasser durchflossen. Ein Rohrbündel im Inneren wird vom Abdampf durchströmt, der seine Wärme an das Wasser abgibt. Danach gelangt das Wasser in den Kessel und der restliche Abdampf und das Kondensat ins Freie.

    Freunde der HSB kennen die großen Vorwärmerkästen vor dem Schornstein der Neubauloks der BR 99.23-24. Das sind Mischvorwärmer. Hier wird das Speisewasser kalt in den Vorwärmer gefördert. Der Abdampf strömt in den Vorwärmer und wird direkt in das kalte Wasser geleitet, wo er zum größten Teil kondensiert und seine Wärme an das Wasser abgibt. Dampf, der nicht kondensiert, strömt über einen Stutzen auf dem Deckel des Kastens ins Freie. Die Dampffahne ist immer gut zu erkennen. Der Vorteil des Mischvorwärmers gegenüber dem Oberflächenvorwärmer ist die Rückgewinnung des Wassers als Kondensat aus dem Abdampf. Damit ist der Aktionsradius dieser Loks leicht erhöht. Man geht von ca. 10% Wasserersparnis aus.

    Daraus folgt, dass die geringe Abdampfmenge der Luft- und Speisepumpe, sowie der Lichtmaschine zum alleinigen Vorwärmen des Speisewassers nicht ausreicht, wenn der Regler geschlossen und somit kein Abdampf der Dampfmaschine verfügbar ist. Bei Oberflächenvorwärmern sinkt die Wassertemperatur (auf dem Führerstand ablesbar) nach dem Reglerschließen sehr schnell ab, so dass die Speisepumpe sehr bald geschlossen oder zumindest auf geringste Förderung reduziert werden muss. Kaltes, nicht vorgewärmtes, Wasser darf nicht in den Kessel gespeist werden, weil es im Kesselmaterial gefährliche Wärmespannungen auslösen könnte, worauf Kesselschäden folgen.
    Mischvorwärmer sind ja noch mit bereits vorgewärmtem Wasser gefüllt, so dass der Heizer die Pumpe noch einige Zeit mit höherer Leistung betreiben kann. Sinkt die Wassertemperatur dann ab, ist auch hier die Pumpe zu drosseln.

    Speisepumpen mit Vorwärmern haben den großen Vorteil, dass die Wasserförderung konstant entsprechend des Verbrauchs eingestellt werden kann. Es wird also kontinuierlich eine moderate Wassermenge gefördert, die zudem noch auf eine höhere Temperatur vorgewärmt ist, als mittels Strahlpumpe möglich. Das schont den Kessel (Wärmespannung), lässt den Kesseldruck beim Pumpen nicht absinken und reduziert natürlich den Kohleverbrauch.
    Gleichwohl ist die Technik aufwendiger als eine Strahlpumpe, was den Einbau in kleinere Loks oft nicht wirtschaftlich rechtfertigte. Eine Strahlpumpe fördert die angegebene Förderleistung nahezu konstant mit einer Wassertemperatur von 60 - 70°C am Ausgang. Diese Förderleistung entspricht meist der Höchstleistung der für den gleichen Kessel nötigen (oder auch installierten) Speisepumpe, so dass man sich gut vorstellen kann, dass bei jedem Pumpvorgang eine große schlechter vorgewärmte Wassermenge in den Kessel gelangt. Der Kesseldruck fällt dabei jedes Mal schnell ab und muss danach erst wieder erhöht werden.
    Alle Dampfloks müssen aus Gründen der Sicherheit immer mindestens zwei Speiseeinrichtungen besitzen, wobei eine immer funktionieren muss, also auch im Stillstand (siehe Erklärung der Speisepumpe - die dann nicht betrieben werden kann).
    Loks mit Speisepumpen sind als zweite Speiseeinrichtung auch mit einer Strahlpumpe ausgerüstet. Andere Loks mit zwei Strahlpumpen.
    Bei der RüBB gibt es übrigens ausschließlich Lokomotiven mit Strahlpumpen.

    Nicht berücksichtigt habe ich jetzt Abdampfstrahlpumpen bzw. Abdampfinjektor (arbeitet auch mit Abdampf), Turbospeisepumpen, Franco-Crosti Kessel usw.


    Viele Grüße

    Dampfachim

  • Und nochmals Dank an Achim!! Ich hatte Dich wohl falsch verstanden und mich tatsächlich ein wenig gewundert.
    Ich glaube nun bin ich umfangreich aufgeklärt;)))