Dampf auf Usedom 2018

  • Hallo liebe Eisenbahnfreunde,

    wie bereits angekündigt, möchte ich mit Euch auf Veranstaltungen der letzten Zeit hier im Norden etwas Rückschau halten. Nach der Premiere 2017, die ausgiebig fotografiert und in allen möglichen Medien präsentiert wurde, gab es 2018 eine Wiederholung des Dampfbetriebs auf der Insel Usedom.
    Vom 28.April bis 1.Mai 2018 zog die PRESS 86 1333-3, wiederum als Heringsdorfer 86 1323-4 mit Windleitblechen gestaltet, täglich 4 Sonderzugpaare zwischen Heringsdorf und Zinnowitz auf der Insel Usedom. Nach dem Fristablauf der Wagen des Schweriner Traditionszuges, der im Vorjahr letztmalig hier zum Einsatz kam, griff man jetzt auf eigene Wagen der PRESS, nämlich auf zwei Bmh und einen Daa zurück.
    Nach dem Erfolg des Vorjahres waren jetzt zwar deutlich weniger Eisenbahnfreunde an der Strecke zu finden, dafür aber eine noch höhere Nachfrage in den Zügen zu verzeichnen.
    Über diese Veranstaltung war weit weniger zu lesen und zu sehen. Das möchte ich darum jetzt und exklusiv an dieser Stelle nachholen.

    Ich war mit Freunden am 30.4. fotografisch unterwegs. Bitte einsteigen:

    Im schönen Sonnenlicht ein Pflichtmotiv, die Bereitstellung (bzw. später die Ausfahrt) am Stellwerk des Bf. Heringsdorf. Der Bahnhof mit seinen recht umfangreichen Gleisanlagen und dem wunderbar gepflegten Ensemble ist an vielen Stellen ein tolles Fotomotiv, erst recht mit Dampfzug.



    Lichttechnisch ist der Vormittag schwierig, weil sich der Zug bald nach der Abfahrt ins Gegenlicht wendet. Hinter dem Haltepunkt Kölpinsee unterquert unser Zug eine der typischen Betonbrücken, von denen es 4 an der Strecke gibt (bin auf Usedom nicht so besonders streckenkundig und habe bisher erst zwei davon gesehen).



    Der zweite Zug hat Heringsdorf gerade verlassen und umfährt den Präsidentenberg am Ortsrand von Heringsdorf. Wer dem Trubel der Ostseebäder entfliehen möchte, findet hier wenige Gehminuten vom Strand entfernt saftige Wiesen, Pferdekoppeln und eine ländliche Ruhe vor. Hinten rechts ist der Mast des Einfahrsignals Heringsdorf gerade noch zu erahnen.



    Das Dampfross schreckte hier regelmäßig die Rösser auf, die sich aber schnell wieder beruhigten. Eine großartige Verfolgung mit dem Auto erübrigte sich angesichts des Verkehrs auf den Inselstraßen und so wurde dem Gegenzug dann in Koserow und nochmals in Bansin Seebad aufgelauert.



    Nach der Kreuzung mit dem 646.1 der UBB in Bansin Seebad fährt die 86 in Richtung Heringsdorf ab. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember hat sich auf den Eisenbahnstrecken der Insel eine völlig unauffällige Änderung ergeben. Nachdem die Usedomer Bäderbahn (UBB) seit 1995 Eisenbahn Verkehrsunternehmen (EVU) und Eisenbahn Infrastrukturunternehmen (EIU) gleichermaßen war, beteiligte sie sich an der letzten Ausschreibung auf Geheiß des Mutterunternehmens DB-Regio nicht. Der Verkehrsvertrag ging an DB-Regio, die von der UBB die benötigten Triebwagen mieten. Das Personal kommt zum größten Teil von DB-Regio, ergänzt um einige UBB-Mitarbeiter. Äußerlich ist das nicht erkennbar, weil auch die UBB schon den DB-Keks an der Stirnfront führte.
    Die UBB bleibt aber EIU und nahm am 3.Mai, also kurz nach diesen Aufnahmen die zum Bahnhof aufgewertete Station Schmollensee wieder in Betrieb, wozu auch ein Sonderzug mit den PRESS-Fahrzeugen eingesetzt wurde.

    Die Bahnhöfe der UBB befinden sich allesamt in einem sehr gepflegten und sanierten Zustand. Baulich zwar relativ schmucklos macht das EG in Zempin hier keine Ausnahme, wo der Zug am frühen Nachmittag nach Zinnowitz ausfährt. Ein Gewitter zieht auf und das Grummeln ist schon sehr nahe. Gerade noch etwas diffuses Sonnenlicht erhellt diese Szene.



    Nun war es ziemlich finster und das Grummeln hatte sich in sehr nahes Gewitter verwandelt. Als der Dampfzug die schmalste Stelle der Insel Usedom beim Flecken Lüttenort erreicht, ist es nur noch eine Frage von Sekunden, bis der Regen einsetzt. Also schnell ein Foto gemacht und wieder rein ins Auto. Kaum klappten die Autotüren zu, ergoss sich ein Regenguss auf uns.



    In Heringsdorf war jetzt das Bekohlen angesetzt, Gelegenheit die Lok einmal aus der Nähe zu betrachten. Die 86 ist für mich jetzt keine Unbekannte mehr, aber der Anblick mit den Ohren am Kessel musste einfach auf den Chip gebannt werden.



    Pünktlich für den Abendzug hatten sich die Gewitterwolken vollständig verzogen und die Sonne beleuchtete die Ausfahrt aus dem Kreuzungsbahnhof Ückeritz, der als einziger Unterwegsbahnhof noch über eine Ladestraße verfügt, die allerdings nicht benutzt wird.



    Die Straßen hatten sich wieder geleert, so dass einer Verfolgung nichts im Wege stand. Nach einem Notschuss bei Koserow klappte es vor Zinnowitz besser.



    Die Feierabendtour konnte dann ebenfalls mehrmals fotografiert werden. Vor Stubbenfelde bot sich ein Seitenschuss auf die ungewöhnliche Gestalt einer 86 mit Windleitblechen an. Das Bw Heringsdorf besaß ab Mitte der 60er mehrere Sätze dieser selbst gefertigten Bleche, die schon mal von Lok zu Lok getauscht wurden, wenn Raw-Aufenthalte anstanden. Für die Raw-Zuführungen wurden die bauartfremden Windleitbleche jeweils entfernt. So gibt es neben Fotos mit Windleitblechen von einigen Maschinen auch Bilder ohne Bleche. 86 148 scheint wohl hauptsächlich in der Originalausführung gefahren zu sein.
    Die Windleitbleche halfen den Lokpersonalen bei dem ständigen Wind an der Küste sehr. Auch die durch die PRESS nachgebauten Bleche zeigten eine deutliche Leitwirkung. Die Rauchsäule zog nicht mehr so sehr auf das Führerhaus zu. Dem Lokpersonal hat es sehr gefallen.



    Den Abschluss macht ein Blick auf die Brücke über den Sackkanal zwischen Bansin und Heringsdorf. Hier waren wir an diesem Abend ganz allein. Im Vorjahr hatte ich hier, trotz Regens, mit einer ganzen Fotografenschar gewartet.

    Alle Fotos (30.4.2018): Achim Rickelt


    Ich hoffe, Euch hat der Ausflug auf unsere Nachbarinsel gefallen. Der Erfolg dieser Fahrten bestärkt mich in der Hoffnung, dass PRESS und UBB dieses Sonderfahrtenprogramm zu einer jährlich wiederkehrenden Veranstaltung aufbaut. Es spricht vieles dafür, dass es zumindest nicht der letzte Dampfeinsatz auf Usedom war.


    Viele Grüße

    Euer Dampf-Achim Rickelt

  • Hallo Achim,

    herzlichen Dank für die Foto und den Bericht!

    Oh, die 86er mit Windleitblechen ist aber gewöhnungsbedürftig! Ich wusste gar nicht, dass es das tatsächlich gab. Aber wegen des Windes war das damals auf Usedom offenbar nötig.

    Viele Grüße,
    Eckhard

  • Oh, die 86er mit Windleitblechen ist aber gewöhnungsbedürftig! Ich wusste gar nicht, dass es das tatsächlich gab. Aber wegen des Windes war das damals auf Usedom offenbar nötig.

    Hallo Eckhard,

    die alte Eisenbahn auf Usedom wird in entsprechenden Fankreisen sogar auf Anhieb mit dieser Sonderform der BR 86 assoziiert, weshalb schon in den 90ern der Wunsch bestand, einmal wieder eine dieser Loks auf der Insel einzusetzen. Es gab 1993 oder 1994 schon einmal eine Ausschreibung für eine Plandampfveranstaltung mit 86 333 auf Usedom, die damals allerdings nicht zustande kam. Ich weiß heute nicht mehr, ob es eine Terminüberschneidung mit anderen Veranstaltungen gab, oder was das damals verhindert hat. Es kann auch der Preis gewesen sein, denn es war damals sehr aufwendig, eine Lok mit der Fähre auf die Insel zu bringen. Die Fähre konnte schon nicht mehr selbst fahren und wurde immer mit einem Schlepper bugsiert.

    Nachdem das Bw Heringsdorf zunächst eine größere Anzahl G 8.1 mit Laufachse (BR 56.2-8) https://de.wikipedia.org/wiki/DR-Baureihe_56.2%E2%80%938 besaß und mindestens 56 765 mit selbst gebauten Windleitblechen ausgestattet hatte, wurden diese alten Preußen ab 1966 schrittweise durch die BR 86 abgelöst, nachdem man mit zwei 64ern erfolglos getestet hatte, den Inselverkehr zu übernehmen. Für diese 86er fertigte man die erwähnten Windleitbleche an, wobei die Blechpaare nicht völlig gleich waren. Sie unterschieden sich in der Wölbung, den Rundungen an den Ecken und auch in der Anbringung (schräg oder senkrecht neben der Rauchkammer).
    Die bekanntesten Planloks waren 86 030, 040, 114, 119, 148, 323, 563 und 759. Es gab beim Bw Heringsdorf auch noch die kürzer beheimateten oder früher abgestellten/abgegebenen:
    86 185, 360 und 390
    Das Bw Heringsdorf löste die BR 86 im Mai 1974 durch die BR 110 ab und stellte die letzten Loks zur Verschrottung ab. 86 759 schaffte es noch auf die Nachbarinsel Rügen und diente hier als Heizlok in Samtens (noch immer mit Windleitblechen).

    Im Netz findet man mit etwas Glück immer wieder Einsatzfotos der BR 86 mit Windleitblechen bzw. auch Fotos der Heizlok in Samtens.

    z.B. hier: https://www.inselbahn.de/index.php?nav=1401158&lang=1

    hier: https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php…228#msg-8149228 (ist auch sehr viel Schmalspur dabei)


    oder z.B. hier: https://www.lokomotive-fachbuchhandlung.de/Fotoabzuege/De…30-5::1299.html


    Die PRESS 86 333 entspricht der Lieferserie, der auch die frühere Usedomer 86 323 entstammt. Auffälligstes äußeres Kennzeichen dieser Lieferserie ist die Scherenbremse an den Kuppelachsen. So fiel im Frühjahr 2017 die folgerichtige Entscheidung, die 86 323 im Zustand der 70er nachzubilden. Dafür waren neue Bügel über den Stirnlampen zu fertigen, die bei der 86 323 vorhanden, bei 86 333 aber längst gegen eine einfache Griffstange getauscht waren. 86 323 hatte zuletzt eine vereinfachte Pufferbohle ohne zusätzliches Laufblech. Aber es fanden sich auch Fotos der Lok von 1971 oder 1972, als sie noch das zusätzliche Blech (steht seitlich über) besaß, das heute die 86 333 noch immer ziert.
    Die Windleitbleche kamen 2017 noch etwas kantig daher, wurden aber inzwischen etwas abgerundet und ähneln der Originalausführung nun noch mehr, wobei es dafür keine Norm gab.


    Viele Grüße


    Dampfachim

  • Hallo Achim,

    vielen Dank für die Hintergründe! Ich kenne die 86er nur aus Sachsen und erinnere an ein Fest in Nossen, wo ich als Kind mal auf dem Führerstand mitfahren konnte.

    Viele Grüße,
    Eckhard

  • Hallo Eckhard,

    die BR 86 war einst recht weit verbreitet und eigentlich in vielen Gegenden Deutschlands zu Hause. Als ostdeutscher Eisenbahnfreund der 80er denkt man bei dieser Baureihe aber unweigerlich zuerst an Sachsen, war die 86 hier doch bis zum Dampfende 1988 auf der Strecke Schlettau - Crottendorf im Paneinsatz, gab es bekannte Heizloks 86 049 (Pockau-Lengefeld) und bspw. 86 333 (Rochlitz), die betriebsfähig waren und hin uns wieder im Zugdienst anzutreffen waren. In Annaberg-Buchholz war auch die Traditionslok 86 001 zu Hause.
    Weniger bekannt waren 86er in anderen Gegenden, etwa um Gerbstedt oder im Bw Sangerhausen.

    Ziemlich unbekannt dürfte sein, dass viele 86er ihre Laufbahn in Mecklenburg begannen und werksneu den Norden unsicher machten. Auch unsere 86 333 ist eine Mecklenburgerin - Indienststellung 1939 im Bw Waren (Müritz). Über verschiedene Stationen in Mecklenburg gelangte sie 1945 nach Stralsund, wo sie aber wohl nur abgestellt war.
    Mit der großen Gattungsbereinigung der DR 1947 endete die Stationierung im Norden vorerst, bis 1966 das Bw Heringsdorf die nördlichste Dienststelle der BR 86 wurde.

    Viele Grüße

    Dampfachim