Hallo liebe Schmalspurfreunde,
angeregt durch den Beitrag Mein 1. Foto vom Saarsachsen habe ich mir überlegt, mal einige Fotos aus meiner frühen Schaffenszeit zu zeigen. Fotografisch war ich damals blutiger Anfänger, nicht mobil und total auf Lokomotiven fokussiert. Aber vielleicht erinnert Ihr Euch an Eure ersten Schritte.
Mit 15 Jahren war ich im Oktober 1985 das erste Mal mit einem Dresdner Freund zwischen Oschatz und Mügeln unterwegs. Mit Filmmaterial habe ich wohl nicht gespart, aber ziemlich viel Ausschuss mit nach Hause gebracht. Das war wohl auch meiner völlig unzureichenden Fototechnik, gepaart mit handwerklichem Unvermögen geschuldet. Einige brauchbare Fotos waren dabei und so konnte ich mich am Treiben auf der Strecke Oschatz - Mügeln, nach Kemmlitz kam ich damals nicht, noch lange erfreuen. Zunächst wurde dem erstbesten Zug in Oschatz aufgelauert. Dann ging es am Bahndamm entlang zu Fuß nach Mügeln. Mich begeisterte die Anzahl der noch eingesetzten IV K genauso, wie das gute Zugangebot und das Flair am Lokschuppen in Mügeln. Vier Loks (99 542, 99 564, 99 584 und 99 608) waren im Einsatz, zwei davon möchte ich Euch heute zeigen:
Ausfahrt frei in Oschatz. 99 542 macht sich mit einem typischen Rollwagenzug auf den Weg nach Mügeln, während auf den hinteren Gleisen noch 99 584 damit beschäftigt ist, den nächsten Zug zusammenzustellen. Wir beobachteten sie dann noch eine Weile und machten uns auf den Fußweg.
Dort angekommen, fiel uns zunächst das damals typische Treiben am Heizhaus auf. Für jüngere Eisenbahnfreunde zur Erklärung. Die Einsatzstelle Mügeln beheimatete damals ständig durchschnittlich acht IV K, wovon täglich vier unter Dampf standen. Vor dem Heizhaus fanden sich nach und nach alle ein, so dass sich dort eigentlich ziemlich zuverlässig eine gewisse Lokparade aufnehmen ließ. Die Betriebsloks mulmten aus ihren Schloten gelblich-bräunlichen Qualm in die Gegend, dessen Geruch ich bis heute in der Nase habe und der mich unweigerlich an diese Szenerie in Mügeln erinnert. Das Foto mag nicht perfekt sein, aber wenn ich die verrauchte Szenerie sehe, rieche ich sofort wieder Mügeln. So oder ähnlich habe ich es bis 1990 viermal erlebt. Dann gingen die Leistungen und die Anzahl der eingesetzten Lokomotiven zurück und ich war nicht mehr dort. An diesem Oktobertag 1985 haben sich neben der kalten 99 562 noch 99 542 und ganz hinten 99 608 eingefunden. Hier wurden die Loks gepflegt und versorgt und nach und nach verabschiedete sich die eine oder andere aus dieser Runde, bis die nächste eintraf.
99 608 ist nun dran, den nächsten Güterzug nach Oschatz zu übernehmen und rangiert mit Hilfe des Rangierers aus dem kleinen Posten bei der Lokleitung zum Zug.
Im Juli 1986 war ich dann das zweite Mal vor Ort und wieder begann mein Besuch nach dem Aussteigen aus dem "großen Zug" am Bahnhof Oschatz, wo sich 99 586 mit einem neuen Güterzug auf den Weg nach Mügeln bzw. Kemmlitz machte. Deutlich war das Rasseln der Haspel im Führerstand zu hören. Der Heizer wickelte die "Leine", also das Seil der Heberleinbremse auf. Die Bremsen waren nun gelöst und nach einer kurzen Anfahrt ließ er das Seil wieder von der Haspel abrollen, worauf die Bremsen in Aktion traten und den Zug anhielten. Das war die Bremsprobe - Bremse in Ordnung. Es konnte also losgehen und so bummelte und bimmelte unser Zug in die Stadt Oschatz davon. Das Bremsseil ist gut zu erkennen und wurde von der Lok zum Rollwagen hinunter geführt.
In Mügeln die gleiche Szenerie wie sonst auch und weil ich diesmal den Weg mit dem Bus zurücklegte, konnte ich 99 586 gleich nach Betreten des Geländes nahe der Bekohlung erwischen. Über dem Kessel ist die Leine der Heberleinbremse gut auszumachen. Außer der 99 586 waren unter Dampf: 99 562, 99 564 und 99 566
Nach einiger Zeit rumpelte 99 566 am Heizhaus vorbei in den Bahnhof hinein. Auch sie sollte sich kurz darauf in der lauschigen Runde am Heizhaus einfinden. Ich möchte Euch aber nicht mit immer gleichen Bildern langweilen.
99 566 wurde 1988 (?) in einen schweren Verkehrsunfall mit einem Getreidelastzug Bus verwickelt, stürzte auf die Seite und schied aus dem Betriebsdienst. Sie blieb aber erhalten und kann heute im Sächsischen Eisenbahnmuseum Chemnitz-Hilbersdorf besichtigt werden.
Im Juli 1988 stand die verunfallte 99 566 bereits in Oschatz abgestellt. Die Rauchkammertür war für ein Restaurant (in Döbeln?) (Anm: könnte auch Traditionskabinett Bw Nossen sein (nach Hinweis)) ausgebaut und die Lok von der Ausbesserung zurückgestellt.
Einige Meter weiter hatte Schwesterlok 99 562 das Rangiergeschäft bereits beendet und pausierte am Wasserkran vor dem Oschatzer Heizhaus. Auch sie sollte 1989 in einen Unfall verwickelt, aus dem aktiven Einsatz scheiden. Heute gehört sie zum musealen Bestand des Deutschen Dampflokomotiv Museum in Neuenmarkt-Wirsberg. Weitere Einsatzloks an diesem Tag: 99 542, 99 574 und 99 586
Noch immer betriebsfähig und ziemlich bekannt ist 99 542 heute in Jöhstadt zu Hause. Ihr Lokschild an der Rauchkammertür war damals recht markant. Nach einem Unfall war es deutlich "zerknautscht". Hier bricht sie mit einem Güterzug nach Kemmlitz auf und überquert den Bahnübergang am Bahnhof Mügeln. Seit 1987 wird hier jetzt mit Saugluftbremse gebremst. Die Heberleinbremse hat ausgedient. Also haben die Eisenbahner die Leine über dem Lokkessel eingespart.
Jeder Betriebstag endete damals mit einer Vorspannleistung. Die in Oschatz als Rangierlok zurückgebliebene Lok, in diesem Fall 99 586 spannte der planmäßigen Zuglok vor und wurde so ins heimatliche Heizhaus Mügeln überführt. Meist gab es in Oschatz keine feste Rangierlok, sondern die Zugloks der einzelnen Züge blieben immer in der Rollwagengrube Oschatz, während die Rangierlok in den Zugdienst wechselte. So gab es eine Art Rotation. 1990 erlebte ich aber 99 584 als feste Rangierlok dort, weil ihr Luftsauger (der Bremse) aus Ersatzteilmangel ausgebaut war und die Lok somit allein nicht streckentauglich war. Sie wurde abends aber auch als Vorspann mitgegeben. Darüber hatte ich aber schon vor längerer Zeit berichtet.
Hier erreichen 99 586 und 99 574 gleich das Einfahrsignal des Bf. Mügeln. Warum ich das Andreaskreuz genau vor der Lok platziert habe, kann ich heute nicht mehr sagen.
Alle Fotos: Achim Rickelt
Soweit meine Erinnerungen an die Vorwendezeit auf der Strecke Oschatz - Mügeln. Auch das beste Schmalspurfestival, auch die bestorganisierte Fotofahrt kann dieses Flair nicht mehr nach Mügeln zurückholen. Hier war einen ganzen Arbeitstag lang immer Betrieb, rangierten Loks, bedienten sie Anschlüsse am Bahnhof und im Stadtgebiet, begannen und endeten Züge und rauchten und dampften die Lokomotiven aus ihren langen Schloten um die Wette. Ich habe es genossen und damals dafür sogar meinen möglicherweise ersten Besuch auf der alten Preßnitztalbahn dafür geschwänzt. Quantität (Anzahl der Betriebsloks) war mir eben wichtiger als Qualität, womit ich Oschatz - Mügeln nicht herabwürdigen möchte. Aber das Preßnitztal war eben eigentlich doch wichtiger damals.
Viele Grüße
Euer Dampf - Achim Rickelt
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