Hallo liebe Schmalspurfreunde,
nach den Strecken Freital-Hainsberg - Kurort Kipsdorf, Radebeul Ost - Radeburg, Oschatz - Mügeln und der alten Preßnitztalbahn möchte ich Euch heute auf eine weitere Schmalspurbahn zum Ende der DDR-Zeit entführen.
Wir bleiben in Sachsen und reisen zum Fuße des höchsten Berges der DDR, zum Fichtelberg. Hier liegt die höchstgelegene Stadt der DDR - Oberwiesenthal.
Die Schmalspurbahn Cranzahl - Oberwiesenthal war mir zwar seit Jahren bekannt, jedoch widmete ich ihr nie besondere Aufmerksamkeit und auch meine Besuche 1986 und 1989 waren nicht so recht ergiebig. Nicht was die Fotoausbeute anbelangt, aber was interessante Motive betrifft. Gleichwohl möchte ich Euch heute in diese Zeit mitnehmen.
Im Juli 1986 war ich das erste Mal in Oberwiesenthal. Das Wetter war trüb, überhaupt nicht sommerlich und ich habe eigentlich keine richtig schönen Fotos mit nach Hause gebracht. Eigentlich waren damals immer drei Loks im Einsatz. Auf meinen Fotos kommen aber nur zwei vor. Ich weiß nicht mehr, warum uns die 3. entwischt ist und welche es war.
Steigt also ein:
In Oberwiesenthal rangiert 99 771 an den Zug. Die erstgebaute Neubaulok der Deutschen Reichsbahn war viele Jahre in der Einsatzstelle Oberwiesenthal des Bw Aue heimisch. Den Betrieb bestritten damals ausschließlich Neubauloks der BR 99.77-79. Einheitsloks gab es hier nicht mehr planmäßig. Sie erschienen Ende der 80er dann in Form der Hainsberger 99 734 zur Aushilfe. Die Steigungen verlangten den Lokomotiven alles ab, so dass vor allem im Wintersportverkehr häufig mit Vorspann gefahren werden musste.
Unterhalb des Bahnhofs (im Hintergrund ist noch das Heizhaus zu erkennen) gibt das bekannte Hüttenbachviadukt eigentlich ein viel besseres Fotomotiv ab, als ich es hier fotografiert habe. Keine Ahnung, warum ich das nicht besser hinbekommen habe. Der Fichtelberg ist ein berühmtes Wintersportzentrum mit Skihängen und einer Schanze, die oberhalb des Zuges erkennbar sind. Der erfolgreiche Skispringer Jens Weißflog stammt aus Oberwiesenthal und betreibt dort heute ein Hotel.
Der nächste Zug ist eingetroffen und eine bisher noch nicht identifizierbare 99 stellt den Salonwagen an den Zug. Heute selbstverständlich, etablierten sich in den 80ern auf verschiedenen Schmalspurbahnen unterschiedliche Salonwagen, die vor allem durch Urlaubergruppen des FDGB-Feriendienstes gemietet wurden. Diese Form der Schmalspurreise ist heute praktisch auf allen Schmalspurbahnen noch erlebbar.
Ähnlich wie 99 771 zuvor, habe ich auch diese Lok mit dem abfahrbereiten Zug fotografiert. Ich kann das Geheimnis lüften. Es handelt sich um 99 781, die ich etwa 9 Monate zuvor in Radebeul kennenlernen durfte und auf der ich gestern noch am Regler stand. Offenbar hatten die Lokschilder nicht den Weg ins Erzgebirge gefunden. Nur an der Rauchkammertür führte sie ihren Identitätsnachweis noch mit sich. Nun mussten neue Schilder erst angefertigt werden.
Unsere Talfahrt hinter 99 781 endete zunächst in Hammerunterwiesenthal. Hier war uns die Grenze zur Tschechoslowakei ganz nahe, aber wir verletzten sie nicht und hielten die Ankunft des nächsten Personenzuges mit 99 771 im Bild fest. Hammerunterwiesenthal war praktisch der Endpunkt des Güterverkehrs. Hier endeten die meisten Güterzüge. Weiter hinauf wurde wohl nur noch Dienstgut befördert. An der Ladestraße in Oberwiesenthal war schon lange nichts mehr umgeschlagen worden. So zeugten die Gleise in Hammerunterwiesenthal vom Rollwagenverkehr, der hauptsächlich Schotter umfasste. Der Uranbergbau im Gebiet um Niederschlag war längst zum Erliegen gekommen.
Auf Schusters Rappen gelangten wir dann nach Niederschlag, einer Kreuzungsstation, mitten im Wald gelegen. 99 781 hat bergwärts schon wieder einen Halt eingelegt und wenig später kommt 99 771 an der windschiefen Telefonbude vorbeigerollt. Wir verabschiedeten uns vorerst von dieser Strecke.
Im Juli 1989 feierte die Deutsche Reichsbahn im Erzgebirge das 100jährige Jubiläum der Strecke Annaberg-Buchholz Süd - Schwarzenberg und der abzweigenden Linie Schlettau - Crottendorf mit einer fulminanten Festwoche. Im Mittelpunkt standen Fahrzeugausstellungen in Annaberg-Buchholz Süd (ex Buchholz) und Markersbach, um die sich ein umfangreiches Sonderfahrtenprogramm und auch wieder 86er-Planbetrieb zwischen Schlettau und Crottendorf rankte. Von Buchholz nach Cranzahl ist es ein Katzensprung und so entschieden Uwe, Ingo und ich jeweils auch eine Stippvisite zwischen Cranzahl und Oberwiesenthal einzuplanen. Wir waren zwei Tage in Buchholz und Umgebung und so nahmen wir schon am ersten Abend einen Zug nach Cranzahl.
Kurz nach der Ankunft mit dem Personenzug erwartete uns 99 789 im besten Abendlicht in Fotopositur. Der Bahnhof Cranzahl hatte damals ein Abstellgleis mit allerlei altem Wagenmaterial, dem wir leider keine weitere Beachtung schenkten.
Während von 99 789 links nur noch eine Laterne erkennbar ist, rollt 99 777 mit einem Personenzug an den Bahnsteig. Ich weiß nicht, ob wir überrascht wurden, jedenfalls ist die Position nicht gerade optimal und Ingo mit seinem Cowboyhut steht auch etwas eingezwängt da.
Am nächsten Tag sollte es nochmals hierher gehen. Zunächst galt es, den Personenzug nach Buchholz wieder zu besteigen.
Nächster Morgen, selbe Welle, selbe Stelle, teilweise andere Akteure. Jetzt wartet 99 785 mit einem Personenzug nach Oberwiesenthal die Ankunft der 99 789 ab. Wir werden den Personenzug besteigen und zum höchstgelegenen, im Personenverkehr erreichbaren, Bahnhof der DDR aufbrechen. 99 785 zeigt uns ein schönes Detail der damaligen Zeit. Lokomotiven der Einsatzstelle Oberwiesenthal gehörten zu den gepflegtesten Dampfloks der Reichsbahn. Nicht nur schwarz und rot sahen sie meist gut gepflegt aus. Die Personale legten den Schornsteinen auch oft ein (oder zwei) Zierband (-bänder) aus Aluminium (oder war es Niroblech?) an, das als Besonderheit bald die Oberwiesenthaler Lokomotiven unverkennbar machte.
Wie schon beschrieben, fand ein umfangreicher täglicher Güterverkehr nach Hammerunterwiesenthal statt, wo uns 99 777 mit einem solchen Güterzug erwartete. Auch ihr hatte man ein Zierband um den Schornstein gelegt. Da auf der Strecke der vereinfachte Nebenbahndienst galt, war der Zugführer dieses Güterzuges für die richtige Weichenstellung bei den Kreuzungen und Überholungen zuständig. War alles bereit, pfiff die Lok des Güterzuges den an der Trapeztafel wartenden Personenzug mit dem Signal "Kommen" - Lang-Kurz-Lang in den Bahnhof hinein. 99 777 hat schon einen UIC-Heizhahn bekommen, einfach auf den Flansch des alten Hahns geschraubt. An dieser Stelle wird er nicht bleiben können. Hier ist die Scharfenbergkupplung jedem Heizschlauch im Wege. Der Heizhahn wanderte schon ein Jahr später weiter nach außen.
Ankunft in Oberwiesenthal. Jetzt begann für 99 785 ein Rangiergeschäft. Personenwagen wurden getauscht, weggesetzt, neue geholt und ein Zug für die Talfahrt bereitgestellt. Natürlich musste sich die Lok zwischendurch auch in der Einsatzstelle noch etwas ausruhen bis sie schließlich wieder am Zug stand und auf die Talfahrt wartete.
10:50 Uhr zeigt die Bahnhofsuhr, als 99 789 mit ihrem Zug Oberwiesenthal erreicht. Für uns ging es nun wieder hinter 99 785 nach Buchholz bzw. Waltersdorf zurück. Ein Nachmittag, ganz im Zeichen der 86 501 erwartete uns noch. Von der Strecke Cranzahl - Oberwiesenthal verabschiedeten wir uns ohne Wehmut. Sie sollte erhalten bleiben, welche Zukunft die 86 haben würde, wussten wir damals nicht.
Alle Fotos: Achim Rickelt
Fortsetzung folgt...
Viele Grüße
Euer Dampf - Achim Rickelt