• Hallo Eckhard,

    das ist aus technischer Sicht für mich durchaus nachvollziehbar.
    Die Neubaulok besitzt zwei Dampfstrahlpumpen, die Einheitslok eine Dampfstrahlpumpe und eine Speisewasserkolbenpumpe mit Knorr-Oberflächenvorwärmer.
    Das ist wärmewirtschaftlich ein großer Vorteil, erst recht, wenn man diese Lok auf langen Steigungen einsetzt, wo die Speisepumpe konstant eine gewisse Wassermenge mit einer höheren Temperatur (ca. 90°C oder höher, Strahlpumpe 60 - 70 °C) fördert, womit der Wasserstand im Kessel konstant gehalten werden kann.
    Dieses Fördern einer geringen, aber sehr gut vorgewärmten, Wassermenge lässt den Kesseldruck nicht sehr absinken. Er lässt sich einfacher auf konstantem Niveau halten. Man kann die Hubzahl der Kolbenpumpe nach Wunsch einstellen und damit die Förderleistung fast stufenlos einregulieren. Wärmewirtschaftlich ist auch hier ein möglichst hoher Druck anzustreben (kurz unterhalb des zulässigen Höchstdrucks).
    Eine Strahlpumpe fördert eine hohe Menge relativ kalten Wassers und lässt sich in der Förderleistung kaum drosseln. Die Förderleistung der Dampfstrahlpumpe bei Kesselhöchstdruck entspricht in etwa der Maximalleistung der Speisepumpe. Bei Loks der BR 99.73-76 und BR 99.77-79 hat/haben die Strahlpumpe/n eine Leistung von 125 l/min
    Man kann sich nun leicht vorstellen, dass jedes Anstellen der Strahlpumpe den Kesseldruck deutlich und schnell absinken lässt. Der muss erst wieder erhöht werden, also muss im Vergleich mehr Kohle geschaufelt werden, weil dieses "kalte" Wasser mit erwärmt werden muss. Da natürlich bei Steigungsfahrten eine hohe Wassermenge verdampft wird, muss immer wieder der Kesselwasserstand ergänzt werden. Das bedeutet bei ausschließlichem Betrieb mit Strahlpumpe, dass der Kesseldruck nicht auf nahezu konstantem Level bleibt, sondern immer steigen muss, um einen Drucküberschuss zum Pumpen zur Verfügung zu haben. Der Druck pendelt also immer zwischen annäherndem Spitzendruck und etwa 0,5 oder 1 bar darunter. Mehr als 1 bar soll der Druck mit der Strahlpumpe in einem Zug nicht gesenkt werden, weil die Abkühlung des Wassers Spannungen im Kessel erzeugt.

    Die Strahlpumpe wird mit ihren Eigenschaften auch genutzt, um ein unkontrolliertes Abblasen der Kesselsicherheitsventile zu verhindern. Der Effekt des Absinkens des Kesseldrucks nach dem Anstellen der Pumpe wird hier bewusst genutzt.
    Für den Heizer besteht die Kunst nun darin, ein vorteilhaftes Maß zwischen Kesseldruck, Wasserstand und Feuerführung zu finden, um in jeder Situation einen ausreichenden Wasserstand und Kesseldruck zur Verfügung zu haben. Im Kesselbetrieb hat der Wasserstand übrigens immer absolute Priorität. Das Wasser im Kessel ist unsere Lebensversicherung.

    Angesichts der Eigenschaften dieser Pumpenbauarten kann man sich durchaus vorstellen, warum die Kollegen in Zittau und auch in Hainsberg die Einheitsloks den Neubauloks vorziehen. Natürlich tun die Neubauloks auch ihren Dienst. Die Einheitslok hat wärmewirtschaftlich aber deutliche Vorteile.
    Dann kommt noch der Vorteil der nahezu unverwüstlichen Barrenrahmen, gegenüber den schon immer labilen Blechrahmen der Neubauloks.
    Sicher gibt es im direkten Vergleich beider Bauarten noch weitere Unterschiede, die mir jetzt nicht so wichtig sind.

    Auf Rügen kommen ja nur Neubauloks zum Einsatz. Die kleineren Bauarten lassen wir nun mal außer Betracht. Die Einheitslok wurde ja lediglich erprobt.
    Damals fiel die Entscheidung zugunsten der Neubaulok, weil man nicht noch eine zusätzliche Ersatzteilhaltung für Speisepumpen und Vorwärmer aufbauen wollte. Die Strahlpumpen waren ja sowieso vorhanden.
    Da unsere Strecke zwar Steigungen aufweist, diese aber nicht so sehr lang sind, kann man im Kessel auch vor dem "Berg" einen ausreichenden Wasserstand aufbauen und damit bequem bis zum Scheitelpunkt fahren. Reicht der Wasserstand bis oben, entfällt also dieses übermäßige Feuern, um den Druck auf jeden Fall zu erhöhen. Die Leistungsreserven des Neubaulokkessels ermöglichen dies aber problemlos, wenn am Beginn der Steigung mal nicht so viel Wasser im Glas ist, so dass es nicht bis zum Ende der Steigung reichen würde.
    Im Normalfall fahren wir aber mit einem bestimmten Wasserstand in die Steigung und richten uns darauf ein, dass wir in der Steigung nicht pumpen müssen. Wird am Ende der Steigung der Regler dann vollkommen geschlossen, reicht der Drucküberschuss dann aus, um den Wasserstand wieder zu ergänzen. Auch wenn's bequem wäre, wir benötigen keine Speisepumpe, weil keine so langen und keine so starken Steigungen vorhanden sind.

    Ich hoffe mal, dass ich Euch das etwas anschaulich erklären konnte. Wenn es noch Fragen gibt - nur zu...

    Viele Grüße

    Euer Dampfachim

  • In Zittau waren ja auch zu DR Zeiten fast immer nur Einheitsloks stationiert.Da durch waren die Personale an die Einheitsloks gewohnt und auf Rügen waren die Einheitsloks nur zu Erprobungsfahrten. Fest auf der Insel wurden ja nur die beiden Neubauloks 99 782 und 99 784 zu Reichsbahn zeiten stationiert. Dadurch haben sich die Personale auf Rügen an die Neubauloks gewöhnt und das ist auch mit ein Grund warum auf Rügen die Neubauloks so erfolgreich sind und warum in Zittau die 99 787 abgestellt wurde.

  • In Zittau waren ja auch zu DR Zeiten fast immer nur Einheitsloks stationiert.Da durch waren die Personale an die Einheitsloks gewohnt und auf Rügen waren die Einheitsloks nur zu Erprobungsfahrten. Fest auf der Insel wurden ja nur die beiden Neubauloks 99 782 und 99 784 zu Reichsbahn zeiten stationiert. Dadurch haben sich die Personale auf Rügen an die Neubauloks gewöhnt und das ist auch mit ein Grund warum auf Rügen die Neubauloks so erfolgreich sind und warum in Zittau die 99 787 abgestellt wurde.


    Hallo,

    das ist aber deutlich zu kurz gesprungen und die heute immer noch vorhandene Vorliebe für Einheitsloks in Zittau hat ganz sicher auch nichts mit den Reichsbahnzeiten zu tun, die viele Personale wahrscheinlich gar nicht miterlebt haben.
    Das hat handfeste und nachvollziehbare technische Gründe. Ich habe das einen Beitrag über Dir erklärt.

    Viele Grüße

    Dampfachim

  • .....hat ganz sicher auch nichts mit den Reichsbahnzeiten zu tun, die viele Personale wahrscheinlich gar nicht miterlebt haben.

    ......und deshalb ist es richtig wohltuend, wenn solche Beiträge wie Nr. 12 ein Stück Reichsbahn lebendig werden lassen. Die Darstellung
    zeugt von profunder Sachkenntnis und jeder Menge betriebsdienstlicher Erfahrung. So was liest man hier viel zu selten!

    meint Peter

  • Hallo,

    eine Dampfstrahlpumpe ist ein übler "Dampffresser"...sollte man nur einsetzen, wenn es von Vorteil ist. Kann ich auch aus dem Schiffsbetrieb berichten. Nun fördert unsere Maschinenspeisepumpe nicht ganz so warmes Wasser wie die Speisepumpe der Einheitslok, weit weniger als der Injektor bringt, die kontinuierliche Fördermenge ist jedoch genau passend für den Betrieb.

    Gruß Micha

  • Achim es ist dennoch bemerkenswert das dann aber ausgerechnet diese Loks auf den steigungsreichen Strecken des Erzgebirges ihre Heimat fanden.
    Ich denke die Konzentration in Zittau hat einfach die gleichen Gründe wie die der IV K in Mügeln und VI K in Wilsdruff. Die Baureihen einfach nicht auf zig Strecken zu verteilen, und Ihrer Leistung und natürlich dem vorhandenen Oberbau entsprechend gerecht einzusetzen.

    Und man muß auch dazu sagen es gab damals ganz andere Probleme als die Kesselspeisung.

    Gruß André

  • Hallo Achim,

    vielen Dank für die technischen Erklärungen. Das erinnerte mich daran, dass mir ein Lokführer in Radebeul auch mal sagte, dass sie die Einheitsloks den Neubauloks vorziehen würden. Details kannte ich dazu nicht. Natürlich sind und waren die Neubauloks auch auf den Bergstrecken der Fichtelberg- und Weißeritztalbahn im Einsatz. Aber das sagt natürlich nichts zu den Vor- und Nachteilen im Vergleich zu Einheitslok.

    Viele Grüße,
    Eckhard

  • Naja Eckhard, es ist aber auch so das zu der Zeit ganz andere Züge zu fahren waren als der heutige Betrieb.
    Ich denke das bei Braunkohle und nen Güterzug mit Grenzlast, wie in Cranzahl oder Thum der 50er Jahre, es schon etwas anders aussah. Das darf man auch nicht vergessen. Heute ist dahingehend ja alles entspannter.

  • Achim es ist dennoch bemerkenswert das dann aber ausgerechnet diese Loks auf den steigungsreichen Strecken des Erzgebirges ihre Heimat fanden.
    Ich denke die Konzentration in Zittau hat einfach die gleichen Gründe wie die der IV K in Mügeln und VI K in Wilsdruff. Die Baureihen einfach nicht auf zig Strecken zu verteilen, und Ihrer Leistung und natürlich dem vorhandenen Oberbau entsprechend gerecht einzusetzen.

    Und man muß auch dazu sagen es gab damals ganz andere Probleme als die Kesselspeisung.

    Gruß André

    Hallo André,

    zur Verteilung der Einheitsloks auf die unterschiedlichen Strecken bin ich da ganz Deiner Meinung. Man wollte den Bestand ganz sicher nicht zu sehr aufteilen, sondern gewissermaßen konzentrieren. Wenn man die Stationierungen der 50er und 60er ansieht, so waren die Einheitsloks damals nur noch in Zittau und Hainsberg anzutreffen. In Hainsberg spielten die Neubauloks damals auch nur eine Nebenrolle und füllten nur den Bestand auf. Dort hatte man zunächst auch noch mehr Einheitsloks zur Verfügung. Ich habe nun nicht jedes Lokomotivschicksal im Kopf, aber mir fallen noch 99 732, 99 740 und 99 745 ein, die später dann ja ausgemustert wurden. Spätestens in den 80ern zeigte sich in Hainsberg nochmals ganz deutlich die Überlegenheit des Barrenrahmens. Die Blechrahmen einiger Neubauloks waren inzwischen derart verwunden und verbogen, so dass es Loks gab, die gar nicht mehr in der Einsatzstelle Freital-Hainsberg eingesetzt werden konnten, weil man in den engen Bögen des Rabenauer Grundes Entgleisungen dieser vorgeschädigten Loks befürchten musste. Von 99 788 berichteten mir Lokführer, dass die Drehzapfen der Laufachsdeichseln bei ihr durch das Raw Görlitz einseitig versetzt eingeschweißt wurden, um die Radsätze einigermaßen in eine Flucht zu bekommen. 99 788 war übrigens eine der Loks, die man zuletzt nicht mehr nach Hainsberg schickte.

    Für unsere jüngeren Leser. 99 788 ist heute beim Öchsle natürlich nicht mehr mit diesem Rahmen unterwegs. Sie gehörte zu den 14 zwischen 1991 und 1993 mit neuem Kessel und Rahmen erneuerten Loks.

    Im Sinne der Ersatzteilvorhaltung und Schulung des Lok- und Werkstättenpersonals war es auch nicht unbedingt ratsam, den Bestand der Einheitsloks noch weiter aufzusplitten. So blieben die Strecken um Thum, Oberwiesenthal, Trusetal und später Radebeul dann frei von Einheitsloks. In Oberwiesenthal tauchte mit 99 734 dann erst Ende der 80er wieder eine Einheitslok zur Lokhilfe auf. Aber da musste man auch schon Neubauloks nach Rügen und später Zittau abgeben.

    Viele Grüße

    Dampfachim