Die Ursprünge der sächsischen Schmalspurbahnen

  • Hallo Rolf und Mitdiskutanten,

    ich muss erneut widersprechen. Sowohl das "lange s" (wird heute gern mit dem kleinen "f" verwechselt) als auch das Esszett "ß" waren Ende des 19. Jh. in der lateinischen Schrift nicht unbedingt gebräuchlich. Zu Vergleichszwecken anbei drei Ausschnitte aus den originalen Lieferdokumenten der Maschine Krauss & Comp. Fabr. No. 3311 "Graf Arnim" (der späteren 99 3301) von 1895. Die sehr schlechte Kopierqualität bitte ich zu entschuldigen.


    Man beachte hier das gedruckte Wort "Kesselablasshahn". Nach der heute sog. "alten Rechtschreibung" müsste es "Kesselablaßhahn" heißen. Es wurde aber kein "ß" verwendet.


    Noch seltsamer: "Sämmtliche Maasse sind Millimeter". Da es sich um eine Längeneinheit handelt, sind tatsächlich die Maße, nicht die Masse (Gewicht) gemeint. Selbst nach neuer Rechtschreibung verwenden wir heute ein "ß". Der offizielle Krauss-Vordruck jedoch nicht. Und sogar wird "Maasse" hier mit zwei "a" geschrieben und "sämmtliche" mit zwei "m"!


    Letztes Beispiel: "Gräflich Arnim'sches Forstamt Muskau O. L." in lateinischer Schreibschrift. Hier müsste das "s" in "Forstamt" ein "langes s" sein, sind es aber nicht. Man vergleiche auch die Form des kleinen "r", des großen "G" und des großen "A" mit der aus Köpckes Brief. Sie sind sehr ähnlich, sprich zeittypisch.

    Letztendlich kann auch ein Herr Köpcke mal einen Rechtschreib- oder Kommafehler machen. Beziehst du dich bei "Mit dem bestem Danke" auf "bestem" statt "besten" (das kann jedem passieren) oder auf des "e" bei "Danke"? Das sehe ich nicht als Fehler, sondern verstehe das eher so wie "mit bestem Gruße" (oder: Grusse ;)

    Ich bleibe daher dabei, dass ich die Wahrscheinlichkeit der Echtheit dieses Briefes höher einstufe als die einer Fälschung. Eine Quellenangabe und weitere Hintergrundinformationen wären in der Tat hilfreich.

    Viele Grüße,
    Christian

  • Hallo,

    selbst wenn es echt oder nicht echt wäre, wie Klaus im Eingangsbeitrag bereits bemerkte, es wird an der Geschichtsschreibung zu den sächsischen Schmalspurbahnen nichts ändern.
    Dennoch ist es für mein Gefühl doch etwas komisch. Zum Beispiel finde ich es schon ziemlich spät, sich im Februar 1881 mit Betriebsmitteln zu beschäftigen, wenn im Herbst des selben Jahres die erste Schmalspurbahn eröffnet wird und nur ein Jahr später die zweite.

  • Hallo Johannes!

    ... aber wir sollten es doch deswegen nicht unter den Tisch fallen lassen? Die sächs. Schmalspurbahnforschung ist so weit, dass jeder kleine Bauartunterschied, z. B. an den IV-K-Lokomotiven, genau dokumentiert wurde (was ich sehr begrüße!). In dem Zusammenhang ist eine solche, mutmaßliche Neuigkeit (schwedischer Einfluss) aus den Anfängen doch äußerst erwähnenswert!

    Zu deinen Bedenken bezüglich der Beschaffungszeit der Betriebsmittel: 1881 gingen manche Sachen noch deutlich schneller als heute. Die Altvorderen waren sicher in der Lage, einen Wagen innerhalb eines halben Jahres zu konstruieren und erste Exemplare zu bauen. Vorlaufzeiten mit Planungen über 15 Jahre, wie heute allgemein üblich, gab es damals nicht. Außerdem wurde der Wagenpark ja auch nach Eröffnung der ersten Linien kontinuierlich weiterentwickelt. Daher teile ich diesen Zweifel nicht.

    Viele Grüße,
    Christian

  • Hallo Christian,

    unter den Tisch fallen lassen nicht, aber mit berechtigtem Zweifel kritisch die Echtheit erforschen. Denn ein DSO-Beitrag ohne ein einziges Wort zu dem Brief, dessen Quelle usw. sollte mit äußerster Vorsicht betrachtet und nicht sofort zur Sensation erklärt werden.

    Dennoch, sollte es sich als echt erweisen, ist es für mich "nur" eine nette Geschichte am Rande, aber nichts grundlegend veränderndes zur Geschichte unserer Schmalspurbahnen.

  • Hallo Christian,
    natürlich bezog ich mich auf "bestem" ;) Und Dein Beispiel ist schön und gut, aber eben gerade kein taugliches Vergleichsobjekt, denn es handelt sich dabei gerade nicht um einen handgeschriebenen Brief, sondern um ein ausgefülltes Formular. Daß dabei Abweichungen von der üblichen Schreibweise vorkommen -z.B. weil die Drucktypen bestimmte Zeichen nicht enthielten und die handschriftlichen Eintragungen sich daran orientieren- ist nicht ungewöhnlich. Mir ist einfach die vollkommen von der damaligen Art, wie Briefe verfaßt wurden, abweichende Schreibweise aufgestoßen. Man muß sich doch vergegenwärtigen, daß die Menschen damals viel mehr mit der Hand geschrieben haben und ein gebildeter Mann wie Köpcke die geltenden Regeln absolut verinnerlicht haben dürfte. Das war ja nicht so wie heute, daß die Handschrift am Aussterben ist. Ich bleibe dabei: Ein lateinisch geschriebener Brief von 1881 ist verdächtig.
    Grüße,
    Rolf

  • Hallo,

    auch ich möchte den Brief kommentieren:

    Nach meinem Urteil handelt es sich unbedingt um ein authentisches Original.

    Während meiner Zeit im VMD habe ich mehrere Monate zu Köpcke geforscht - es stimmt einfaches alles: Schrift, Ausdruck, Briefform - ohne Briefkopf etc.

    Das war nämlich damals auf dieser Ebene (noch) NICHT üblich!

    Auch der Zeitpunkt ist für mich nicht ungewöhnlich. Köpcke berichtet, dass sich die C-Kuppler bereits im Bau befunden hätten - aber der Bau von Wagen noch offen war.

    Die ersten dann ab 1900 als Gattung I K geführten Maschinen waren bekanntlich im Oktober noch nicht fertig - die ersten Wagen schon - geliefert aus den Eigenen Werkstätten der K.Sächs.Sts.E.B., die dafür nur wenige Wochen/Monate brauchten.

    Wenn Ihr Euch die Größe der "rollenden Hundehütten" von 1881/82 in Kirchberg und Hainsberg anschaut, dann ist für mich eine Orientierung an den schwedischen Wagen plausibel.

    Was ich mich aber im DSO-Beitrag gewünscht hätte: Eine Quellenangabe - woher hat der Einsteller diesen Brief? Wo ist er archviert?

    Allein das ist unseriös!

    VG

    André

  • Hallo André,

    danke für deine fachliche Einschätzung mit der Ergänzung von Hintergrundwissen um Köpckes Handschrift und Schreibstil! Ich sehe es ebenso. Auch die im Brief genannten technischen Details klingen authentisch, z. B. "radial bewegliche Achsen". Dabei handelt es sich um die typischen Einachsdrehgestelle der sächs. Zweiachser. Der Autor wusste genau, wovon er schreibt. Ein wichtiges Zeitdokument und vielleicht eine Anregung für neue Forschung? Ggf. könnte man die schwedischen und sächsischen Konstruktionen gegenüberstellen und die Gemeinsamkeiten ergründen? Schön, dass es auch nach so vielen Jahren immer noch spannend bleibt!

    Viele Grüße,
    Christian

  • Danke an alle Schreiber,

    ich finde das ein wirklich spannendes Thema und teile, wie oben ja schon geschrieben, die Meinung, dass der Brief authentisch sein könnte.
    Ich denke aber, dass es nicht unseriös ist, den Brief ohne Quellenangabe bei DSO einzustellen, denn es handelt sich ja nciht um ein wissentschaftliches Forum. Dann müsste die Quelle natürlic hangeführt werden.

    Spannen jedenfalls und ein schönes Detail,

    Liebe Grüße,
    Lenni

  • Es wäre aber durchaus einen Versuch wert, den Beitragsersteller Bengt Dahlberg zu kontaktieren und nach der Quelle der Textseiten zu fragen.
    Übrigens: die beiden Bilder im DSO-Beitrag sind ja auch nicht über einen anonymen Bilderhoster veröffentlicht, sondern über http://www.samlingsportalen.se (Museums- oder Archivverbund in Schweden mit einem Digitalisierungsprojekt?!?)
    Hier übrigens ein Direktlink zu einem der Bilder.


    Sven