Aufarbeitung MPSB Wismarwagen

  • Konkret zu dem Wagen gibt es aktuell nur eine kleine Broschüre in Druckform. Wer sich allerdings auch für unsere restlichen Exponate interessiert, dem kann ich unseren 220 Seiten starken und umfangreich bebilderten Museumsführer nahelegen.

    Dieser ist Hier erhältlich und kostet 12€.

    Auch wenn der Wagen jetzt kein gutes Beispiel für die Jugendarbeit ist, sind im FFM doch überdurchschnittlich viele junge Leute aktiv und beschäftigt, arbeiten an Projekten. Ich gehöre mit meinen 29 Lenzen zwar nicht mehr direkt zur Jugend, bin aber ganz sicher auch noch in der Lernphase. Da versucht man an Wissen mitzunehmen, was man kriegen kann.

    Wie sind die auf dem Rahmen aufliegenden Bohlen befestigt? Mit Schlossschrauben?
    Wenn ich die Spanten mit der Rundung unten sehe, da geht ganz schön viel Material flöten, bis man das eigentliche Bauteil erhält!


    Der Holzaufbau wird mit Sechskantschrauben auf dem Metallrahmen gehalten, die in ausgestemmten Öffnungen in den Längsträgern versenkt sind. Auf diesem Bild sollte das Prinzip deutlich werden.

  • Mit großen Schritten nähern wir uns bereits dem aktuellen Baufortschritt. Nachdem wir nun die Historie aufgearbeitet haben, wird jetzt die Frequenz der Dokumentation hier wieder niedriger und orientiert sich an der Fortgang der Arbeiten.


    Teil VIII - Vervollständigung des Mittelabteils

    Zunächst wurde der gesamte Kasten mit Schrauben geheftet, anschließend wurde fleißig gestemmt, geleimt und verzapft. Jedes Teil wurde vorher sauber nummeriert und damit sichergestellt, dass es seinen richtigen Platz findet.


    Auch aus dieser Eichenbohle werden einmal Bauteile für MPSB Nr.13


    Nach dem Aufsetzen und Verleimen der Einzelteile der oberen Längsträger folgte die Einpassung der Eckrundungen, welche den Fenstern das typische Aussehen verleihen und zur Versteifung beitragen.


    In diese Nut wird sich einmal ein Fenster herabsenken können.


    Im Vordergrund ist bereits der Rahmen für die Schiebetür zum Abteil sichtbar.


    So langsam kann man einen ganzen Eisenbahnwaggon erkennen. Aktuell werden die Dachsparren angefertigt und der Fußboden vorbereitet. Bis zum Richtfest ist es nun nicht mehr fern.


    Grüße aus Frankfurt,
    Rafael

  • Lieber Rafael,

    das ist wirklich eine Augenweide, ich bin auf den fertigen Wagen sehr gespannt!!! Aber das wird wohl noch dauern.

    Was ich mich immer frage (vielleicht auch in Richtung Ronny): Wieviel von dem Design des Wagens hat technisch einen Hintergrund......Steifigkeit, Haltbarkeit.....
    Oder andersherum: ist das Design aus optischen Gründen entstanden oder standen eher technische Überlegungen im Vordergrund, die dann dies tolle Form ergaben.

    Ich frage mich das deshalb, weil ja auch Anfagn des 20. Jahrhunderts Zeit schon ein teures Gut war. Wieso sollte dann viel Zeit für die Optik drauf gehen. War das eine andere Einstellung oder eben konnte man die Wagen evtl. wegen besserer Haltbarkeit auch teuerer Verkaufen? Oder isst das Auge eben doch mit und allein der Optik wegen war die MPSB bereit mehr zu zahlen?

    Ich hoffe meine Frage ist deutlich geworden....war etwas von hinten durch die Brust ins Auge....

    Viele Grüße,
    Lenni

  • Lieber Lenni,

    ja, das wird wohl noch ein wenig dauern. Bei gleichbleibendem Tempo schätze ich, dass das Äußere des Wagens dieses Jahr fertig werden könnte, eine Inbetriebnahme des dann auch innen ausgerüsteten Wagens halte ich im Jahr 2022 für realistisch. Zur Erinnerung, die gesamte Inneneinrichtung fehlt und muss neu gebaut werden. Wir haben aktuell nur ein paar Gepäcknetze und Lampen.

    Zu deiner Frage warum sich die MPSB seinerzeit für solche Wagen entschieden hat, kann man das heute fast nur noch mutmaßen.

    Fakt ist, dass die MPSB zu der Zeit schwarze Zahlen schrieb also auch Geld vorhanden war. Dazu kam, dass die vorhandenen Personenwagen den Ansprüchen nicht gerecht wurden und man eine größere Lösung brauchte.
    Die Form der Wagen wird sicherlich einerseits durch den Zeitgeist bestimmt, so waren diese Rundungen, die noch aus der Postkutschenzeit stammen, im unteren Wagenkastenbereich in Preußen durchaus beliebt und gängig.
    Dass man den Wagenkasten vorne und hinten verjüngte hat dagegen wohl eher praktische Gründe. Bedingt durch die engen Bogenradien verminderte man die Gefahr, dass die Wagenkästen an der Seite in Kurvenfahrten aneinander stießen. Zumindest habe ich mir das heute so erklären lassen :)
    Die Konstruktion des Wagenkastens selbst würde ich als der Zeit entsprechend einstufen. Auch die Wagenkästen der sächsischen Wagen sind ähnlich in Holzfachwerkbauweise konstruiert, wenn auch durch die Form etwas einfacher aufgebaut.

    Wer ergänzende oder andere Informationen dazu hat, darf mich gerne korrigieren. Vielleicht wissen die MPSB-Spezis oder Vereinsmitglieder dort mehr.

    Grüße,
    Rafael

  • Mahlzeit!

    Lenni: Den etwas schwammigen Begriff "Design" kannte man damals noch nicht. Die Konstruktion und Formgebung des Wagen sind für den Entstehungszeitraum als zeitgemäß zu bezeichnen. Der Geschäftsführung der MPSB war daran gelegen, mit den modernen Wagen die Erstausstattung der Bahn zu Ersetzen, um dem Fahrgast zeitgemäßes Reisen bieten zu können. Die Wagen waren für sich betrachtet nur im Bereich der 600-mm-Spur etwas besonderes, im Vergleich mit anderen Spurweiten waren sie einfach Stand der Technik. Die Ganzstahlbauweise verbreitete sich im Waggonbau erst in den 20er Jahren.

    Die etwas schmaleren Endteile des Wagens waren der Einhaltung des Lichtraumprofils im Gleisbogen geschuldet, was sich in erster Linie im Bahnhofsbereich (z.B.Weichenantriebe, Profilfreiheit zum Kuppeln) bemerkbar gemacht haben dürfte, denn auf freier Strecke hat man für die Spurweite schon sehr großzügig trassiert.

    Die Arbeitskraft war damals im Vergleich zu den Materialkosten bei weitem nicht so ausschlaggebend für die Kosten, wie das heute der Fall ist. Der Durchschnittslohn für einen Arbeiter (verheiratet, 2 Kinder) betrug 1913 90,00 Mark. Das Kilo Brot kostete in Relation dazu 0,46 Mark, ein Kilo Kartoffen 0,20 Mark.

    Gruß Sven

  • Lieber Rafael, lieber Sven,

    danke EUch sehr für die Ausführungen, die ja in der Gesamtheit zu einem ähnlichen Ergebnis führen. Natürlich gab es den Begriff Design damals noch nicht, aber trotzdem wurde ja fleißig designed. Ich würde sagen, Dessign ist alles, was über das Notwendige hinaus geht, oder?

    Jedenfalls wird das ein traumhafter Wagen und eine Fertigstellung evtl. 2020 klingt ja doch absehbar.

    Danke und liebe Grüße,

    Lenni

  • Hallo zusammen,

    seid ihr euch sicher, daß die reduzierte Wagenkastenbreite an den Fahrzeugenden der Vermeidung eines erweiterten Lichtraumbedarfs in Bögen dienen sollte? Wenn man sich die Länge des Wagenkastens und die Position der Drehgestelle anschaut, dann tritt in Bögen die größte Auskragung genau in der Mitte des Wagenkastens zwischen den Drehgestellen auf. Das passiert zwar immer nur auf der Bogeninnenseite, es wäre aber schon recht merkwürdig, wenn man für eine vergleichsweise geringe Reduzierung des Lichtraumbedarfes auf der Bogenaußenseite den Wagenkasten anpaßt, gleichzeitig aber eine viel größere Lichtraumerweiterung auf der Bogeninnenseite ohne Veränderung am Fahrzeug in Kauf nimmt.

    Eine wirklich überzeugende Theorie für die verschmälerten Wagenenden habe ich aber auch nicht. Vielleicht war es wirklich nur dem Design geschuldet, vielleicht hängt es aber auch mit den Trittbrettern und Griffen für den Wechsel des Schaffners zwischen den Wagen während der Fahrt zusammen?

    Andere Elemente des Wagens basieren m.E. in jedem Fall auf dem Willen zu einer ansprechenden Gestaltung. Er ist schon eine sehr elegante Erscheinung. Die reine Funktion hätte man damals sicherlich auch mit einfacheren Mitteln erreichen können. Allgemein wurde zu damaliger Zeit noch viel (!) mehr Wert auf gestalterische Schönheit gelegt. Schaut euch mal Gebäude aus der Zeit im Detail an, was da alles für Aufwand getrieben wurde nur für die Optik. Das entsprechende Bewußtsein ist in Deutschland leider spätestens seit den 1960er Jahren stark zurückgedrängt worden. In anderen Ländern ist das anders, z.B. Frankreich...


    Aber zurück zum Thema. Ein wirklich tolles Projekt. Viele Grüße

    Michael

  • Hallo Rafael,

    ich sage heute ebenfalls mal danke für deinen fabelhaften Beitrag.
    Ein sehr lohnenswertes Projekt, einen solchen Wagen wieder aufzuarbeiten! Es ist sehr aufschlussreich, wie du uns den Werde- und "Unter"-gang und die nun begonnene Wiederauferstehung dieses einmaligen Wagens hier darstellst. Mein Kompliment nicht nur an deinen Verein, sondern im Besonderen auch an euren Schreinermeister. Ganz großes Kino!
    Wir beim POLLO standen und stehen mit unserem Projekt 976-101 aus 1907 vor nahezu der gleichen Mammutaufgabe - und sind nach mehrjähriger Arbeit jetzt so langsam auf der Zielgeraden.
    Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg, genügend Spendenmittel für die weiteren Bauabschnitte und freue mich auf die Fortführung des Berichtes.
    Auf nach 2020!
    Beste Grüße aus der Hauptstadt.

    Lutz Friedrich

    Kreisbahndirecteur


    PKML - Mitglied Nr. 47

    Schmalspur im Nordwesten Brandenburgs: POLLO - Brandenburgs einzigartige Schmalspurbahn,

    2024 - Frühjahrs-Schmalspurdampf vom 04. bis 12.05.2024 über Himmelfahrt - und weiter an Pfingsten 2024 - http://www.pollo.de/

    Meine Vereine:

    http://www.pollo.de

    http://www.arge-s.de/

  • Hallo Lutz!

    Danke für die Blumen! Ich geb's gerne weiter. Das Werden und Wirken beim Pollo verfolge ich seit einigen Jahren aufmerksam und bin begeistert von dem was der euer Verein mit bescheidenen Mitteln immer wieder auf die Beine stellt :ok:
    Bisher habe ich es leider noch nicht geschafft euch mal zu besuchen - die Prignitz ist so eine Ecke wo ich irgendwie nie mal so zufällig hinkomme, aber eine Visite steht auf meiner Wunschliste.


    Hallo zusammen,

    seid ihr euch sicher, daß die reduzierte Wagenkastenbreite an den Fahrzeugenden der Vermeidung eines erweiterten Lichtraumbedarfs in Bögen dienen sollte? Wenn man sich die Länge des Wagenkastens und die Position der Drehgestelle anschaut, dann tritt in Bögen die größte Auskragung genau in der Mitte des Wagenkastens zwischen den Drehgestellen auf. Das passiert zwar immer nur auf der Bogeninnenseite, es wäre aber schon recht merkwürdig, wenn man für eine vergleichsweise geringe Reduzierung des Lichtraumbedarfes auf der Bogenaußenseite den Wagenkasten anpaßt, gleichzeitig aber eine viel größere Lichtraumerweiterung auf der Bogeninnenseite ohne Veränderung am Fahrzeug in Kauf nimmt.


    Hallo Michael,

    ich meinte nicht das Lichtraumprofil als solches bzw. das Überhängen des Mittelteils in Gleisbögen sondern die 'Gefahr' des Zusammenstoßens der äußeren Ecken des Wagenkastens zweier gekuppelter Wagen in engen Gleisbögen. Wenn der Wagenkasten am Ende breiter ist, ragen die beiden Ecken der Wagenkästen in Gleisbögen näher aneinander. Ob das jetzt tatsächlich der Grund für die Ausführung des Wagens, kann ich aktuell nicht belegen, es erscheint mir allerdings nachvollziehbar.
    Ich hoffe ich habe mich verständlich ausgedrückt, sonst kann ich mich auch mal an einer Handskizze versuchen.


    Grüße,
    Rafael

  • Hallo Rafael,


    ich meinte nicht das Lichtraumprofil als solches bzw. das Überhängen des Mittelteils in Gleisbögen sondern die 'Gefahr' des Zusammenstoßens der äußeren Ecken des Wagenkastens zweier gekuppelter Wagen in engen Gleisbögen.

    Die Gefahr des zusammenstoßen der Wagenkästen im Gleisbogen ist sicher so oder so nicht gegeben. Eine genaue Begründung für die schmalere Endabteile habe ich auch nicht. Aber jedes Fahrzeug muss in ein festgelegtes Lichtraumprofil passen. Welches bei der MPSB festgelegt war weiß ich nicht. In dieses Lichtraumprofil müssen alle Teile eines Wagens innerhalb dieser Grenze liegen. Auch Trittbretter und Griffstangen wie an den Endabteilen des Pullman-Wagen. Die Gefahr des zusammenstoßen zweier gleicher Wagen wie der Pullman besteht auch nicht. Denn die Längstrittbretter ragen sogar noch über das Wagenende hinaus.

    Zusammen gefasst sehe ich die Trittbretter längs an den Endabteilen als Hauptgrund für das schmale Endabteil.

    Gruß, Thomas