der Vulkan (2. Auflage)

  • Habe mal meinen nun über 3 Jahre alten Beitrag über die Mansfelder Bergwerksbahn überarbeitet und teils mit anderen Bildern ergänzt. Von den neueren Bildern habe ich paar weggelassen. Viel Spaß beim lesen.

    Nach dem ich mit einer Feldbahn (fuhr direkt hinter unserem Haus) und mit etlichen Lokbaureihen, z.b. 44, 52, 56, 86, 94 an der Strecke Sangerhausen – Erfurt mein erstes weltliches Dasein fristete, war es im Jahr 1964 soweit. Mein Vater sagte „morgen fahren wir nach Halle“. Als Sangerhäuser und mit 6 Jahren stand das große Erlebnis vor der Tür. Weihnachtsgeschenke galt es für die ganze Familie zu kaufen. Irgendwann in den frühen Morgenstunden waren wir am Bahnhof angekommen. Eine P8 (war die damalige Stammbaureihe nach Halle) stand vor unserem Zug. Es war sehr kalt und für mich als Kind ein Ereignis der besonderen Art, denn der ganze Zug qualmte und die Dampfheizung lief auf höchstem Druck. Ich erinnere mich, es waren Wagen mit sehr viel Abteilen und Türen von Außen. Ein Pfiff und dann ging es los. Der Zug setzte sich in Richtung der großen Stadt in Bewegung. Nach ca. 15 Minuten fahrt, sah ich als Kind auf der linken Seite ein (so dachte ich damals) Vulkan. Der Himmel leuchte purpurrot und eine Magma ähnliche Flüssigkeit ergoss sich ins Tal. Mein Vater sagte zu mir „das ist kein Vulkan, sondern das ist das Mansfeld Kombinat“. Was wusste ich mit 6 Jahren was ein Kominat oder Kongulat oder, was hat er gesagt? Auf der Rückfahrt war der Vulkan wahrscheinlich schon erloschen, jedenfalls habe ich ihn nicht gesehen oder ich war eingeschlafen. Ich kann mich leider nicht mehr erinnern. 10 Jahre später (wir wohnten bereits seit 1969 in Halle) bekam ich zu meinem 16ten Geburtstag ein Moped geschenkt. (Marke Simson S50) Den Vulkan b.z.w das Mansfeld Kombinat zu sehen stand auf den zu erkundeten Zielen an oberster Stelle.

    In Eisleben fragte ich einen Mann, der sagte mir in einem Dialekt zum schmunzeln „da muschte nooch Helbra farn, da kippense die Schlocke ab“. Ein Stückchen fahrt über Wimmelburg und ich war angekommen an der Schlackehalde vom Mansfeld Kombinat. Lange brauchte ich nicht zu warten. Eine V10c mit 3 Schlackewagen tauchte oben auf der Halde auf. Meine Praktika aus der Tasche schnell geholt und das Schauspiel begann.

    Mit einem lauten Knallen ergoss sich die Schlacke die Halde herunter. Ein einzigartiges Erlebnis. Näher als 20 Meter hatte ich mich nicht getraut dem ungeheueren Hitze absonderten Gestein zu nähern und außerdem versperrte ein schon wenig angesengter Holzzaun den Weg. Ein paar Bilder waren im Kasten und nach 5 Minuten weiterer Fahrt begegnete ich die erste Schmalspurlok beim Rangieren in Helbra.

    Bis 1990 war ich mindestens 1mal im Jahr dort, denn es gab ja auch noch andere Strecken zu erkunden.

    Aber ab diesem Zeitpunkt war ja sowieso alles anders. Mein Wohnort war jetzt Gevelsberg bei Wuppertal. Jetzt galt es neue Ziel zu entdecken. Das Ruhrgebiet mit seinen ETA 515 von Wanne-Eickel, Lufthansa Züge und E 03 am Rhein oder Schmalspurbahnen in Ochsenhausen und Frankreich. Es war ja alles neu. Das Mansfeld Kombinat existierte nicht mehr, und die Schmalspurbahn im Mansfelder Land hatte nur ein bescheidenen Museumsbetrieb. (so dachte ich jedenfalls bis dahin) Durch eine Selbständigkeit verschlug es mich wieder nach Halle. Nach Mansfeld zu fahren hatte ich mir immer noch einmal vor genommen, aber wie das nun mal so ist verschob ich es immer wieder. Das Dampfspektakel im Mai 2000 wollte ich aber besuchen. Also los und nach Mansfeld. Ich traute meinen Augen kaum, denn der bescheidene Museumsbetrieb hat sich zu einer schönen Museumsbahn verwandelt.
    Der Stolz vom Verein ist die Lok 20. 1945 war die Modellreihe speziell für die Reparationszahlungen in die Sowjetunion entwickelt worden. Die Lieferungen umfassten 416 Exemplare, die vorwiegend auf den recht ausgedehnten Waldbahnen dort zum Einsatz kamen. Etwa 15 von ihnen existieren heute noch. Weil beim Mansfeld-Kombinat bauartgleiche Lokomotiven unter den Nummern 19 und 20 liefen, kümmerte sich der Verein Mitte der 90er Jahre um die Rückholung einer solchen Lok aus Estland. Sie wurde komplett aufgearbeitet und fährt heute durchs Mansfelder Land.

    durch die notwendigen Umbaumaßnahmen im Bahnhof Kupferkammerhütte, verlor leider die Mansfelder Bergwerksbahn ihr letztes Werkbahnflair, schade, aber es musste leider sein

    wer noch nicht genug hat von Mansfeld, dem empfehle ich die Broschüre 125 Jahre Mansfelder Bergwerksbahn mit vielen tollen Bildern und der Geschichte.

    zu beziehen über [http://www.bergwerksbahn.de] und in guten Bahnhofsbuchhandlungen oder er kommt zu den Fahrtagen und überzeugt sich selbst von der Museums(Werk)bahn.

    Ich hoffe die kleine Geschichte hat ein bißchen Spaß gemacht.

    Gruß der Mansfelder

    der Mansfelder
    Andreas

  • Sehr interessannter Beitrag, der mich immer neugieriger auf die Mansfelder Bahn macht.
    Für 2011 ist ein Besuch fest geplant.
    Besonders eindrucksvoll finde ich das Bild vom Schlacke abkippen, sicher ein Erlebnis so etwas live zu sehen. Heute leider nicht mehr zu erleben.
    Habe im ungarischen Ajka am Aluminiumwerk (wo letztens die Halde ausgelaufen ist) früher die Seilbahn beobachtet, wo die flüssige Schlacke über die Straße transportiert wurde. War auch interessant.

    Gruß und schönes WE!
    Bidone

  • werde mal hier unter dem Beitrag ein paar Kurzgeschichten schreiben. Hängt auch alles in der Geschichte zusammen. Wer`s nicht wissen will, muss es auch nicht lesen. Den anderen viel Spaß mit

    mein Onkel Fritz

    Nach dem ihr nun meine erste Begegnung mit der Mansfelder Bergwerksbahn erfahren habt, so möchte ich euch heute mal erzählen warum ich eine „Eisenbahnmeise“ habe.
    Eigentlich zu verdanken habe ich das meinen Onkel Fritz B. . Onkel Fritz kannte jeden und jeder kannte Onkel Fritz. Er war Eisenbahner mit Leidenschaft und das hat sich auf mich übertragen. Fritz war bis Anfang der 60er Jahre der heimliche Held vom Bahnhof Sangerhausen. Er hat Leute in Packwagen versteckt um sie in den Westen zu schmuggeln. So auch 1959 meine Eltern und natürlich mich als 1 jährigen Jungen inklusive. Irgendwann ist die ganze Schmuggelei mal aufgeflogen und Onkel Fritz wurde vor die Wahl gestellt. Entweder du machst bei uns mit, oder wir nehmen dir dein Haus weg. Seit dem war mein Onkel Mitglied der Partei und trug sein Abzeichen stets in der Geldbörse mit sich rum. (ich nenn es mal "Bärenfang")
    Mein Onkel wohnte paar Straßenecken weiter und ich besuchte ihn (inklusiv Tante und mein Cousin) mit meinen luftbereiften Roller fast täglich. Er erklärte mir durch sein großes Eisenbahnfachwissen alles was bei uns fast vor der Haustür vorbeifuhr. Für mich stand es schon als Kind fest: der kleine Andi musste auch mal so werden wie Onkel Fritz. Wenn er mit mir an der Strecke stand und die großen Dampfloks vorbeifuhren, kannte Onkel Fritz natürlich den Lokführer und der grüßte mit einen Pfiff zurück. Man das war ein Held, mein Onkel.
    Als ich dann in die Schule gekommen bin, kam Fritz auf die Idee Andi ein Fahrrad zu bauen. Nun, das war damals alles nicht so einfach. Fritz wäre nicht Fritz wenn er nicht was besorgen und bauen konnte. Mein erstes Fahrrad bestand aus einen Rahmen der noch aus dem RAD (Reichsarbeitsdienst) im Keller gefunden wurde und Räder die er von jemanden besorgt hat. Ein Aluminiumschild am Rahmen wurde mit ein paar Hammerschlägen, deren verräterische Herkunft zeigend, entfernt. So war ich dank Onkel Fritz das erste mal richtig Mobil.
    Fritz nahm mich auch auf seine Stammstrecke Oberröblingen – Allstedt öfters mal mit. Das war immer eine Rangiererei in Niederröblingen, leere Wagen zum Schacht, volle zurück und den Rest nach Allstedt. Onkel Fritz hatte immer den Durchblick.
    Leider ist mein Onkel Fritz schon seit 20 Jahren verstorben, der Beitrag hier ist als Andenken ihn gewidmet.

    Noch ein kleiner Nachtrag: 2 Jahre später nach der Flucht hat es meine Eltern wieder aus Heimweh in die DDR zurück verschlagen. Fritz sein Bemühen war also umsonst gewesen. 2 Monate später ging alles nicht mehr. (13. August 1961)

    Fortsetzung folgt

    der Mansfelder
    Andreas

    3 Mal editiert, zuletzt von der Mansfelder (12. Mai 2012 um 19:52)

  • Hallo Andreas,

    sehr interessant. Ich kenne einige Fotos zwar schon aus frühreren Beiträgen, aber immer wieder interessant.
    Die 7 ist mir ja gerade heute wieder begegnet. ;)

    Hat sie auf Deinen Fotos noch richtige Reichsbahnlampen, oder hab ich mich da verguckt?

    Viele Grüße

    Dampfachim

  • na dann kann es ja weiter gehen:

    Amtmann Klugmann, 6/36 und die Deutsche Reichsbahn

    1969 zogen wir dann nach Halle. Hier war für mich alles anderes, oder auch nicht. Vor unser Haustür gab es wieder eine Eisenbahnstrecke, die sich Halle-Hettstedter Eisenbahn nannte und in den wahrsten Sinn des Wortes in den letzten Zügen lag. Das einzige was ich noch auf der Bahn gesehen habe, war der Abbauzug. Die Bahn musste an der Stelle weichen, weil sich ein Neubaugebiet mit dem Namen Halle-Neustadt ausdehnte. Interesse an der Bahn hatte sowieso keiner mehr, weil sie erstens unrentabel und zweitens total veraltert war. Hinter dem Bahndamm war ein großer Übungsplatz der Russischen Streitkräfte und für uns Kinder der ideale Abenteuerspielplatz. Von dem allen ist heute nichts mehr zu sehen, denn wie schon geschrieben stehen da die Arbeiterschließfächer und das alte Kasernengelände ist heute eine gehobene Wohngegend.
    Unsere Schule war auch neu, so auch die Klasse. Alle Mitschüler kamen aus den unterschiedlichsten Ecken der DDR, was für mich sehr lustig war. Meine Klassenkammeraden waren Mecklenburger, Sachsen und auch aus der Lausitz. Sie stellten unsere Lehrer zum Anfang vor schweren Kommunikationsproblemen.
    Wie es zu DDR Zeiten üblich war, suchten sich die Schüler die angebotenen Freizeitmöglichkeiten aus. Das hatte auch einen Namen und zwar Arbeitsgemeinschaften, die sogenannten AG´s. Die Liste war lang und unter der Nummer 6/36 stand Modelleisenbahn. Das war´s natürlich, also jeden Donnerstag Abend dahin und mitgemacht. Die 6/36, so hieß dann auch die AG weiter, war eine sehr rührige AG mit Höhen und Tiefen.
    In der AG lernte ich einen 2 Jahre jüngeren Freund kennen, mit dem ich später sehr viele Eisenbahntouren unternommen habe. Heute ist er der zweite Vorsitzende der Mansfelder Bergwerksbahn und Dampflokführer. Stefan W. hatte die gleiche Macke wie ich. Wo andere im Studium ihre Semesterferien genossen haben, hat er sich als Heizer ausbilden lassen und fuhr im BKK Geiseltal auf der Kohlenstaub 44er durch die Gegend.
    Die Schule war zu Ende und die Berufswahl stand für mich an. Was heißt eigentlich Wahl? Ich wollte doch mal so werden wie mein Onkel Fritz. Also kam für mich nur ein Betrieb in Frage mit dem Namen Deutsche Reichsbahn.
    Meine Eltern und ich machten mit dem Dienstvorsteher vom Bahnhof Halle-Neustadt (war früher eigene Dienstelle) einen Vorstellungstermin aus. Man war ich aufgeregt.
    Am großen Schreibtisch saß ein älterer Reichsbahnamtmann mit dicker Zigarre im Aschenbecher. Er fragte mich ob ich schon mal was von den Eisenbahnabläufen gehört hatte. Aber klar doch, ich hatte ja Onkel Fritz und ich erzählte ihn alles was er wissen wollte und bestimmt auch das was er nicht wissen wollte. Gut gut, sagte er, komme sie nächste Woche wieder um den Lehrvertrag zu unterschreiben. Ich war glücklich, alles hat geklappt und ich konnte so werden wie Onkel Fritz.
    Ich bekam dann Scheine zum Einkleiden für die Uniform, die ich in der Kleiderkammer der Deutschen Reichsbahn im Leipziger Hauptbahnhof abholen konnte.
    Am Montag den 02. Sep. 1974 war es dann soweit. Andi das erste mal mit Reichsbahnuniform auf der Straße. Ich muss zugeben, so ganz einerlei war mir das da nicht. Das hat sich aber sehr schnell gelegt, denn alle hatten ja in der Lehre eine Uniform an und schließlich war ich ja auch stolz diese zu besitzen.

    Fortsetzung folgt

    der Mansfelder
    Andreas

    Einmal editiert, zuletzt von der Mansfelder (9. Mai 2012 um 21:39)

  • Zitat

    Original von der Mansfelder
    Habe mal meinen nun über 3 Jahre alten Beitrag über die Mansfelder Bergwerksbahn überarbeitet und teils mit anderen Bildern ergänzt. Von den neueren Bildern habe ich paar weggelassen. Viel Spaß beim lesen.

    [...]
    In Eisleben fragte ich einen Mann, der sagte mir in einem Dialekt zum schmunzeln „da muschte nooch Helbra farn, da kippense die Schlocke ab“. Ein Stückchen fahrt über Wimmelburg und ich war angekommen an der Schlackehalde vom Mansfeld Kombinat. Lange brauchte ich nicht zu warten. Eine V10c mit 3 Schlackewagen tauchte oben auf der Halde auf. Meine Praktika aus der Tasche schnell geholt und das Schauspiel begann.

    Mit einem lauten Knallen ergoss sich die Schlacke die Halde herunter. Ein einzigartiges Erlebnis. Näher als 20 Meter hatte ich mich nicht getraut dem ungeheueren Hitze absonderten Gestein zu nähern und außerdem versperrte ein schon wenig angesengter Holzzaun den Weg. Ein paar Bilder waren im Kasten und nach 5 Minuten weiterer Fahrt begegnete ich die erste Schmalspurlok beim Rangieren in Helbra.[...]

    Hallo Andreas,

    nun hat auch imageshack deine alte neue Version wieder teilweise verschwinden lassen, aber das Bild mit der Verkippung der Schlacke ist mir noch gut in Erinnerung.

    Die Deutsche Fotothek bewahrt auch zwei Fotos von Bahn und flüssiger Schlacke dazu auf. Jedoch scheint man sich nicht so sicher zu sein, ob es wirklich in Helbra aufgenommen worden ist. Die Lok trägt die Nummer 3 (?):
    http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71300828
    http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90043802

    Viele Grüße

    Volker

    PS. Hoffe die Links funktionieren bei allen. Ansonsten auf http://www.deutschefotothek.de/ nach "August-Bebel-Hütte" suchen.