von vielen Kuckucks, ein Opa Vogel und vielen anderem

  • Die alte und neue Papierfabrik in Blankenberg (Thüringen)

    am Sonntag den 17.05.09 machte ich mich auf um die alte Papierfabrik in Blankenberg und Opa Vogel mit seiner Pferdebahn zu besuchen

    zu erst was aus der Geschichte der Papierfabrik von 1371 bis 1900:
    Die Erwähnung einer Mühle, an diesem Standort, erfolgt urkundlich bereits 1371. Als Kaiser Karl IV. mit seinem Sohn Wenzel am 23. März von den Vögten von Gera die Feste Blankenberg kaufte, wurde unter anderen ausdrücklich die Mühle hervorgehoben. Hier handelt es sich um die Wassermühle, die auf einer Karte aus dem Jahr 1757 noch eingezeichnet ist, heute aber nicht mehr besteht. Auf der erwähnten Karte findet sich außerdem eine Papiermühle angegeben, die sich ab 1784 im Besitz des Papierhändlers Johann Wolfgang Rahm befand. Diese soll nach noch unbestätigten Angaben um 1700 als Mahlmühle und kurz nach 1730 als Papiermühle existiert haben. Um 1787 pachtete der Papiermüller Adam Erdmann Flinsch diese und kurz darauf erwarb dieser die Papiermühle käuflich. Ferdinand Traugott Flinsch führte 1843 die maschinelle Papierherstellung in Blankenberg ein. Bis 1894 waren die Gebrüder Flinsch die Eigentümer. Am 6. Dezember 1894 erfolgte der Verkauf der Anlage an Gotthelf Anton Wiede, den Eigentümer der Wiedes Papierfabrik Rosenthal im benachbarten Blankenstein. Das Kaufobjekt bestand aus einer Papierfabrik mit Zubehör, Wald, Wiesen und Feldern und dem altem Hammerwerk Katzenhammer nebst Wohnhaus und Stallgebäuden und dem Dorfhaus Nr. 102. Das Herrenhaus mit Garten sowie ein 80 Hektar umfassender Wald auf bayerischer Seite kam noch hinzu. 1899 kam noch der Wolfstein mit eigener Jagdgerechtigkeit hinzu.
    Da die Papierfabrik keine Bahnverbindung besaß und der Geschirrtransport nach Marxgrün über Issigau sehr kostenträchtig war, wurde eine Feldbahn an der Saale entlang zum Hauptwerk Rosenthal in Blankenstein verlegt. Die Straße nach Blankenberg musste untertunnelt werden und über die Saale eine Brücke gebaut werden. Die Bruckwagen für die Anlieferung von Zellstoff, Holzschliff, Kaolin, Leim, Alaun, Kohle sowie anderer Materialien zur Papierfabrik Blankenberg und den Rücktransport des fertigen Papieres ins Hauptwerk Rosenthal in Blankenstein wurden mit Pferden gezogen. Deshalb wird diese Strecke „Pferdebahn“ genannt.

    Bevor wir aber zu der Bahn kommen noch was zur Papierherstellung. Das gesamte Jahr 1895 verging mit dem Ausbau der Papierfabrik Blankenberg. Die vorhandene Papiermaschine mit 1,50 m Arbeitsbreite, 1841 aus England importiert, wurde durch Anbau mehrerer Trockenzylinder und Erweiterung der Siebpartie leistungsfähiger gemacht. Der Antrieb der Papiermaschine erfolgte über eine Dampfmaschine. Das Beiwerk Katzenhammer wurde so ausgebaut, dass ab dieser Zeit fotografische Kartons auf einer Kartonmaschine mit Rundsieben produziert wurden. Die Frachtmengen stiegen enorm. Am 14. Juli 1897 erhielt Blankenstein einen norlmalspurigen Bahnanschluss von Triptis über Lobenstein. 1901 erhielt diese Linie noch Anschluss an die Bahnstation Marxgrün durch das Höllental, so dass von nun an nach Süden und Norden eine direkte Verladung der Güter ohne Geschirrtransport stattfinden konnte. Die Pferdebahn Blankenstein-Blankenberg wurde weiter mit Pferden betrieben.
    Im April 1899 siedelte der jüngste Sohn des Besitzers, Dr. Fritz Wiede, von München nach Rosenthal über und zog 1901 in das Herrenhaus der Papierfabrik Blankenberg. Er kümmerte sich ab diesem Zeitpunkt um die Technologie der Produktion - vor allem auf chemischem Gebiet. Bereits ab dieser Zeit wurde in der Papierfabrik Blankenberg Streichrohpapier hergestellt und in der Streicherei mit Farben aus Glanzweiß, Blancefixe, Kaolin und anderen Stoffen beschichtet. Als Bindemittel dienten Kasein (Käsestoff aus Milch) und Limolin (Kartoffelstärke). Das Endprodukt war also buntbeschichtetes Papier, das anschließend noch über einen Kalander geglättet wurde.

    Um die Nachfrage nach dem Papier zu erfüllen, wurde auf der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 eine Papiermaschine der Füllner-Werke aus Warmbrunn/Schlesien gekauft und bis 1909, am heutigen Standort aufgebaut. Die neue Maschine bestand aus einem Sandfang, drei langsam rotierenden Rundsiebzylindern als Knotenfang, einem Stoffauflauf, einer Siebpartie mit Registerwalzen, einem Fallsauger und fünf Flachsaugern und einer Saugwalze. Das endlose Langsieb war 2,25 Meter breit und 25 Meter lang. Das Siebmaterial bestand aus Phosphorbronze. Weiter bestand die Maschine aus drei Nasspressen, davon eine als Wendepresse. Eine Trockenpartie mit vier Trockengruppen, eine Feuchtglätte, einen Nachtrockner, ein Kühlzylinder, ein Satinierwerk(Glättwerk)und eine Aufrolleinrichtung vervollständigten die Maschine. Um eine stufenlose Regelung der gesamten Maschine zu erreichen, wurde sie von einem Gleichstrommotor angetrieben. Alle Maschinen wurden über Transmissionen, Flachriemen und einem Stahlband angetrieben. Eine Dampfmaschine mit Generator erzeugte den benötigten Strom. Ab 1939/40 erfolgte die Stromversorgung über ein Stromnetz von Blankenstein. Die Dampfmaschine diente dann nur noch zur Notversorgung. Der Notstrom für die Beleuchtung wurde von einer Wasserturbine im Unterwassergraben erzeugt. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges standen in dieser Fabrik ca. 130 Männer und Frauen in Lohn und Brot.

    das ist das alte Herrenhaus im heutigen Zustand

    bei einem Vororttermin an der Papierfabrik mit Vertretern der Gemeindeverwaltung hatte ich die Möglichkeit in das Innere vorzudringen,

    die alte Papiermaschine sieht heute so aus. Ein Mega Teil wo beim Anblick das Technikherz Freudensprünge macht

    angetrieben wurde die Maschine wie bereits erwähnt zu erst durch Wasserkraft, dann über eine Dampfmaschine bis ...

    (der Transmissionsantrieb)

    hin zu diesem Gleichstromgenerator

    schauen wir uns weiter in der alten Fabrik um (warum das da so aussieht dazu später)

    nun zu dem „Warum“. Der letzte Besitzer hat über die Treuhand die damalige alte Papierfabrik erworben um darin ein Museum und ein Wasserkraftwerk zu errichten. Die Pläne hat er nicht eingehalten (Auskunft Gemeindeverwaltung) und stattdessen die Fabrik zu seinen privaten Interessen zu benutzen und auch zu „vermüllen“. (siehe Bilder) Er hat selbst aus den alten Maschinen und aus dem Gebäude Teile entnommen oder abgetrennt um bei den damaligen hohen Schrottpreisen die zu Geld umzuwandeln. Die Gemeinde hat hier Einhalt geboten und durch eine Verfügung das Treiben ein Ende bereitet. Alle Maschinen wurden erst einmal hier durch gesichert.

    somit ist die Eigentümerfrage zum Teil wieder offen und die Gerichte beschäftigen sich mit dem Fall. Eine fällige Grundsteuer löste das ganze Verfahren aus.

    Ich müsste lügen wenn ich abstreiten würde das mein Anliegen nur den Papiermaschinen galt. Zwischen all dem „Krempel“ wurden diese beiden Goldstücke entdeckt.

    auch hier wurden Teile entnommen und veräußert. So fehlen bei der Ns2h die Seitenklappen und auch das Schild wurde „mit viel Fachwissen“ entfernt.



    nun soll alles besser werden. Die Gemeinde will die endgültige Eigentumsfrage klären und das Museumskonzept neu angehen. Eine geeignete Strecke befindet sich ja bekanntlich genau vor dieser Tür:

    ich wünsche der Gemeinde Blankenstein mit all seinem Vorhaben alles gute. Möge alles zum besten gelingen. Wir freuen uns drauf. Der Verein Feld- und Kleinbahnfreunde Saalekreis e.V. wird der Gemeinde in vielen Fragen zur Seite stehen.
    Nun ist aber der Bericht noch lange nicht zu ende. Schauen wir uns erst einmal außen noch ein bisschen um.

    dieses Gebäude wird in ca. 4 Monaten Geschichte sein. Um das Hauptgebäude zu retten müssen leider einige Nebengebäude aus Kostengründen weichen

    überall Gleise und Kreuzungen

    merken wir uns diese Stelle, dazu später



    auch zum Konzept gehört das Projekt „Wasserkraftwerk“ anzugehen. Damit wurde bereits begonnen

    begönnen hat auch ein anderer das neue Konzept anzugehen und das weit aus vorher. Ich meine Opa Hans Vogel aus Blankenberg, der mit einer selbstgebauten Benzinelektrischen Draisine die wunderschöne Strecke an der Saale bereits befährt. Wenden wir uns erst einmal dieser Draisine und der Strecke zu. Hier Opa Vogel beim öffnen seines Lok (Draisinen) schuppens.

    es wurde ja schon einiges über die Draisine berichtet, falsch ist die Aussage das die Draisine aus einem alten Wagen der Pferdebahn entstanden ist. Es sind jeglich nur Achsen aus einem alten Sägewerk drunter, der Rest ist Eigenbau.

    so nun ein paar Bilder von der Strecke, los geht es mit Opa Vogel die ca. 2km lange Strecke entlang der Saale

    angekommen, hier befand sich einmal ein Tunnel unter der Straße der auch seine Geschichte hat

    nun dazu: zu mir gesellte sich die ganze Zeit ein Typ der leider nicht Fotografiert werden wollte. Wer den Film „ wo bitte geht es nach Hollywood“ kennt, der kennt den Fliegertyp mit der Zigarre und den etwas jünger, so muss man ihn sich vorstellen. Er erzählte mir das er früher in diesem Abschnitt bei den Grenztruppen war und sich bestens auskennt. Für mich als ehemaliger DDR Bürger mit gestellten Ausreiseantrag eine menschenverachtende dunkele Zeit der Geschichte. Zum Glück wurde an diesem Abschnitt niemand erschossen oder verletzt, aber dafür sind etliche geflüchtet. Die lustigste Flucht war genau an dieser Stelle: (na habt ihr euch das Bild oben gemerkt?)

    bei der Kontrolle der Gitter vom Wehr flüchtete der ehemalige Parteisekretär über die dort flache Saale. Daraufhin wurde die gesamte Papierfabrik geräumt und die Belegschaft auf weiter „Fluchtgefährdeten“ Personen verhört. Quelle: der Typ mit der Zigarre und Bestätigung von einem Schlosser aus der neuen Papierfabrik
    noch was zum Tunnel: der Tunnel wurde von den Grenzern beiderseitig bewacht und mit einem Tor verschlossen. Wenn ein Feldbahnzug vom neuen Werk zum alten Werk führ, wurde der Führerstand und das Ende vom Zug mit einem Streife besetzt. In der Lok führ der Unteroffizier und hinten auf dem Wagen der Soldat mit. Was nun die Anschaffung der Ns2h für mich logisch macht. Dort konnten die Türen verschlossen werden. Die Bn30R rangierte fast nur im alten Werk. Zwei Wagen von ehemals ca. 30 der Bahn sind erhalten geblieben
    hier einer hinter dem Draisinenschuppen

    viele Infos über das neue und alte Werk findet ihr hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Papierfabrik_Blankenberg und hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Zellstoff…abrik_Rosenthal

    laut Auskunft von Mitarbeitern hatte das neue Werk 2 Akkuloks um die Rangieraufgaben zu bewältigen. So das war´s, ich hoffe ich habe euch nicht gelangweilt und ihr habt Freude an den Fotos.

    Noch was zu Opa Vogels Bitte. Wenn ihr eine Fahrt plant, was sich auch lohnt, dann meldet euch bei Opa Vogel an, denn mit 80 ist er nicht immer an der Strecke. Seine Telefonnummer lautet: 036642/22872

    der Mansfelder
    Andreas

    Einmal editiert, zuletzt von der Mansfelder (11. Juni 2009 um 15:28)

  • Hallo Mansfelder!

    Vielen Dank für Deinen umfangreichen Beitrag. Hat sicherlich sehr viel Arbeit gemacht. Ich bin damals nach der Grenzöffnung mit dem Fahrrad auf der anderen Seite der Saale entlanggefahren. Von dort konnte man sehr gut das Grenzregime der DDR an der Saale einsehen. Das hinter dem Zaun Gleise lagen habe ich erst später erfahren.

    MfG Thomas!

  • Klasse Beitrag und klasse Geschichte!!!!!
    Einfach nur super!

    Alex (von der WG)

    Einmal editiert, zuletzt von Rübenbahner (11. Juni 2009 um 18:04)

  • Sehr informativer Beitrag, sowas bereichert jedes Forum.

    Die Personendraisine ist auch schön anzusehen, wenn man bedenkt, dass sie selbst vom alten Manne zusammengeklöppelt wurde.

    Grüße von Vincent

    Auch Holsteiner können Schmalspurfans sein !!!

  • Hallo Mansfelder,

    ein sehr kurzweilig geschriebener und informativer Bericht. Solch eine Motordraisine habe ich noch nirgens gesehen. Da hat der Opa viel Phantasie gehabt.


    Viele Grüße

    Dampfachim