07.01.1989 - Ausflug zur Insel Rügen (m. 12 mäßigen Bildern)

  • Liebe BiBaForianer,

    ein frohes und gesundes neues Jahr darf man heute sicher noch wünschen…

    Da ich mich immer gern an Jahrestage hänge und sich ein solcher heute für mich ereignet, möchte ich Euch wieder einmal einen kurzen Bericht von unserer Insel Rügen darbieten. Ich weiß heute nicht mehr, was ich zu Jahresbeginn mitten in der Woche, am 04.01.1989, hier zu tun hatte. Jedenfalls hatte ich bemerkt, dass die kleine Vulcan-Maschine 99 4632 auf der Kleinbahnstrecke Putbus-Göhren im Einsatz stand.

    Seit Beheimatung der beiden DR-Neubauloks 99 1782 und 1784 in der Einsatzstelle Putbus gut 5 Jahre zuvor hatten die Einsätze der drei originalen Rügenschen Loks immer mehr abgenommen. Es gab Ende der 1980er Jahre nicht mehr regelmäßig Arbeit für die kleinen Maschinen, die erstgebaute Rüganerin war schon verkauft worden und stand nun auf einem Sockel bei einer Lehrter Apotheke. Die beiden anderen Vulcan-Loks waren 1988 gelegentlich im Plan- oder Sonderzugeinsatz, standen sie sich aber im wesentlichen in der heimatlichen Einsatzstelle die Radreifen platt. Die 99 4633 hatte im Dezember 1988 Fristablauf gehabt und war somit jetzt zum Stillstand verurteilt, nun aber gab es offensichtlich für die letzte einsatzfähige Rügener Vulcan-Lok doch wieder einmal etwas zu tun. Dass der kleine Vierachser im Laufe des Jahres 1989 noch sehr häufig im Einsatz stehen und zum Jahresende die einzige betriebsfähige Rügener Schmalspurlok überhaupt sein würde, sich daher also weitere fotografische Möglichkeiten böten, war zu Jahresbeginn nicht absehbar.

    Im Januar ist das Zeitfenster für die Anfertigung brauchbarer Fotos logischerweise sehr kurz, erst recht bei trübem Wetter. Auch wenn selbiges nicht gerade lockte, so wollte ich mir doch die vermeintlich günstige Gelegenheit nicht entgehen lassen, borgte mir den elterlichen fahrbaren Untersatz und auf Grund eines Kameraschadens auch den elterlichen Pocket-Fotoapparat, schnappte mir meinen Kumpel Carlo aus Rostock und fuhr 3 Tage später, am 07.01.1989, gemeinsam mit ihm zu einer gezielten „Vulcan-Lok-Safari“ am Sonnabend-Vormittag nach Rügen in der Hoffnung, dass die Lok noch Plandienst fahren würde. Wettermäßig bot sich ein Bild vergleichbar dem heutigen. An sich war es recht mild und schneefrei, jedoch wolkenverhangen und durch den auf Rügen stets präsenten Wind rundum ungemütlich. Nachdem wir uns per „langem Hals“ vom Parkplatz aus überzeugt hatten, dass die kleine Rügenlok in der Einsatzstelle tatsächlich unter Dampf stand, suchten wir eine Fotostelle nahe des Bahnhofs Putbus.


    Bild 1: Die Ausfahrt aus Putbus wurde „über’n Teich“ fotografiert, jedoch erfüllte sich nicht die Hoffnung auf eine Spiegelung des Zuges im Wasser. Außerdem blies der Wind die Abdampffahne vor den Zug. Rechts im Bild, auf dem Ausziehgleis, sieht man noch einen abgestellten, nicht rekonstruierten Personenwagen.

    Da wir vor allem in der Gegenrichtung mit Rauchkammer voraus Fotos machen wollten, ließen wir es während der Fahrt in Richtung Göhren ruhig angehen, hetzten nicht an einen weiteren Fotostandort und nutzten die Zeit stattdessen, verkehrsgünstige Fotostellen für die Rückfahrt zu erkunden und einen entsprechenden „Schlachtplan“ zu machen. Als wir in Göhren ankamen, hatte man bereits restauriert und stand schon wieder abfahrbereit am Zug.


    Bild 2: Ihrer ohnehin sehr blassen Farben habe ich diese Aufnahme von der Ausfahrt aus dem Bahnhof Göhren elektronisch gänzlich beraubt. Die geöffneten Zylinderhähne und der Wind machten leider die Hoffnung auf eine leidliche Zugaufnahme zunichte, die Lokfront ist obendrein schon bewegungsunscharf. Nehmen wir’s also als Stimmungsbild! Geradeso sichtbar ist rechts am Bildrand noch der Schlackewagen Nr. 2 der Einsatzstelle Putbus.


    Bild 3: Recht zügig hatten wir den „Rasenden Roland“ hinter Philippshagen/Tannenheim wieder eingeholt und konnten so am Ortseingangsschild von Baabe, kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Sellin das nächste Foto machen. Und wieder blies uns der Wind den Dampf vor den Zug.


    Bild 4: Danach bretterten wir ein wenig unvorschriftsmäßig in Richtung Binz, wo wir den Zug kurz vor der Einfahrt in den Kleinbahnhof am Bahnübergang erwarteten. Die gut hörbaren Strapazen beim Erklimmen der Granitzer Höhen lagen nun hinter der kleinen Maschine. Durch den relativ kurzen Zug hielten sie sich an jenem Tage auch in Grenzen. Mit geschlossenem Regler rollt die Garnitur in den nahegelegenen Bahnhof Binz Ost.


    Bild 5: Für ein Foto im Kleinbahnhof von Binz blieb keine Zeit, wir wollten noch ein Streckenmotiv umsetzen und mussten daher sofort wieder loshetzen. An der bekannten Fotokurve bei Serams postierten wir uns ein weiteres Mal und hatten diesmal mit dem Wind Glück. Überhaupt besserte sich das Wetter langsam.

    Ab hier gaben wir die Verfolgung des Zuges auf und fuhren „geordnet“ nach Putbus. Als wir dort eintrafen, war die Lok bereits in der Einsatzstelle zum Restaurieren, wo man uns einen „Korb“ gegeben hatte, als wir die Bitte nach Fotoerlaubnis auf dem Gelände vortrugen. In Ermangelung einer besseren Idee trollten wir uns in Richtung Schmalspur-Viadukt über die Normalspurstrecke nach Bergen. Zu erklären, dass hierüber einst die Kleinbahn in Richtung Altefähr führte, ist hier im Foren- und Rügenkennerkreis sicher soetwas, wie Eulen nach Athen zu tragen.


    Bild 6: Im unpassendsten aller denkbaren Momente kam nun die Sonne heraus – gerade als die 110 704 des Bw Stralsund mit ihrem Personenzug unter dem alten Schmalspurbahn-Kunstbau gen Bergen röhrte. Nun herrschte brutales Gegenlicht und ich musste mit dem Apparat etwas „beidrehen“, um überhaupt noch belichten zu können. Die zum Aufnahmezeitpunkt noch nicht einmal 15 Jahre alte Lok war im Januar 1986 aus Dresden an den Strelasund gekommen und wurde Ende 1987 nach Eberswalde abgegeben, kehrte jedoch im September 1988 aus Pasewalk zurück nach Stralsund und erlebte hier Ende 1991 die Umzeichnung ins DB-Nummernschema als 201 704. Bis 1994 blieb sie im aktiven DBAG-Bestand, 1997 wurde sie in Rostock verschrottet.


    Bild 7: Um ein wenig die Zeit totzuschlagen, drangen wir nun -nach Feierabend- trotz der vorherigen Absage doch in die Einsatzstelle Putbus ein und ich probierte mich ein wenig in der Anfertigung eines Abendrot-Romantik-Fotos mit Bahnbezug. Die bei der Verschrottung der 03 1020 übriggebliebene Kröpfachse des dreizylindrigen Riesen, die damals noch etwas ungeordnet im Gelände stand, bezog ich in die Stimmungsaufnahme mit ein. Heute findet man diese Achse fein herausgeputzt auf einem Sockel zwischen Normal- und Schmalspurteil im Bahnhofsbereich vor dem Empfangsgebäude von Putbus.


    Bild 8: Nach einer Weile kam die kleine Vulcan-Lok wieder aus dem Schuppen und setzte sich an den Zug, um erneut in Richtung Göhren aufzubrechen. Da das Licht schon zur Neige ging, musste das Stativ zum Einsatz kommen, während der Heizer sein Feuer vorbereitete.

    Eigentlich wäre dies der Zeitpunkt gewesen, die Fotosafari zu beenden, denn an Aufnahmen des fahrenden Zuges war nicht mehr zu denken. Auf den Unterwegs-Bahnhöfen wusste man nie so genau, wo die Fuhre zum Stehen kommt und wie lange gehalten werden würde. Sich dort irgendwo zu postieren, hielten wir für zu gewagt. Es würde aber in Göhren noch ein ganz besonderes Schauspiel geben, das in der Dunkelheit besonders eindrucksvoll war, das nur bei den kleinen Vulcan-Loks in dieser Form zu beobachten war und das wir uns auf keinen Fall entgehen lassen wollten. Ich hatte es schon desöfteren gesehen, jedoch nie einen Fotoapparat dabeigehabt. Zunächst beschlossen wir aber, etwas für unser leibliches Wohl zu tun und rückten zum Verzehr einer Bockwurst und eines Heißgetränks in die wohlig warme Putbuser MITROPA-Gaststätte. Danach fuhren wir nach Göhren und erwarteten den Kleinbahnzug, den wir in Sellin überholt hatten.


    Bild 9: Kaum stand die kleine Lok am Wasserkran vor dem Lokschuppen in Göhren, klapperte es im Führerstand ein paar Male und das Schauspiel ging los… Durch die geöffnete Führerhaustür der Heizerseite wurde mit der Schaufel in hohem Bogen entschlackt. Leider fand dies stets auf der dunklen Seite des Lokschuppens Göhren statt. Auf die Idee, die Szenerie etwas mit den Autoscheinwerfern aufzuhellen, kam ich damals noch nicht. Der weiter oben in Bild 2 sichtbare Schlackewagen stand nicht mehr sichtbar links am Bildrand. Das Foto hatte ich im letzten Jahr schon einmal hier im Forum gezeigt, habe es aber jetzt nochmals neu bearbeitet.


    Bild 10: Dann ging ich hinüber auf die „Lichtseite“, um auch von hier noch ein Foto während des Wassernehmens anzufertigen. Irgendetwas schien an der Loklaterne vorn rechts nicht zu stimmen, denn Lokführer und Heizer fanden sich ein und fummelten längere Zeit dort herum.


    Bild 11: Neugierig geworden ging ich vor zur Lokfront, als das Personal mit dem Wassernehmen fertig und in den Schuppen entschwunden war. Tatsächlich, da schien es einen Wackelkontakt zu geben! Rüttelte man am Kabel, so schaltete sich die Glühbirne wieder ein, rüttelte man an der ganzen Loklaterne, so klappte die offensichtlich rückholfederlose Mechanik mit dem roten Schlusslichtvorsatz herunter, klappte man diesen wieder hoch, erlosch die Lampe. So hätte man ein paar hübsche Lichtspiele fotografisch umsetzen können, ich entschied mich für die ursprünglich vorgefundene Variante mit 2 Spitzenlichtern.


    Bild 12: Das letzte Foto des Tages entstand am Bahnsteig in Göhren kurz vor der Abfahrt des Spätzuges. Der Heizer bereitete das Feuer für die Abfahrt vor, der Lokführer hatte signalbuchkonform Zg1 „an-gewackelt“ und ich betätigte ein letztes Mal den Auslöser. Anschließend ging es heimwärts.

    Soweit mein Erlebnisbericht zu jenem 07.01.1989, unglaubliche 25 Jahre ist das inzwischen her.

    Sagenhafte 100 Jahre alt wird in diesem Jahr die gezeigte Schmalspur-Lokomotive, die 1914 bei der Fa. Vulcan in Stettin das Licht der Welt als Lenz-Typ „M“ erblickte, der auch bei anderen Pommerschen Schmalspurbahnen Verbreitung fand. Damals noch als Naßdampflok „52M“ zur Rügenschen Kleinbahn gekommen, wurde sie später auf Heißdampf umgebaut und fortan als „52Mh“ bezeichnet. Wiederum ein paar Jahre später hatte sie kurzzeitig die Nummer „258 H 4406“ bei den Pommerschen Landesbahnen und gelangte schließlich zur Deutschen Reichsbahn unter der Bezeichnung „99 4632“ bzw. später „99 4632-8“. Bei der DBAG trug die Lok die Nummer „099 770-0“ und hört heute wieder auf „52Mh“. Auch die Farbgebung wechselte, heute trägt die Lok ein grün-schwarz-rotes Farbkleid.

    Ich bin ziemlich sicher, dass es auf Rügen aus Anlass des Lokjubiläums ausgiebige „Festspiele“ geben wird. Genauso sicher bin ich wohl nicht der erste und auch nicht der wichtigste Gratulant, aber dennoch: HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH 52Mh! Einhundert Jahre schafft nicht jeder…

    Damit möchte ich für heute schließen und mich für die mäßige Bildqualität entschuldigen, derer ich mir durchaus bewusst bin. Ein Dank geht an meinen Freund Achim, der den Beitrag „quergelesen“ und mit Kommentaren bereichert hat.
    Tschüss und Gruß

    Mathias

    Frau Edith hat im Nachhinein einen Flüchtigkeitsfehler berichtigt.

    Einmal editiert, zuletzt von Mathias Gottschewsky (7. Januar 2014 um 00:27)

  • Hallo Mathias,

    ganz herzlichen Dank für Deinen Bericht über meine Lieblingslok. Ja, unglaubliche 25 Jahre ist das schon wieder her. Und wir ahnten nicht einmal, was uns im Herbst des selben Jahres noch erwarten sollte ...
    Das ich als Resi in Eggesin plötzlich die BILD-Zeitung vor mir auf dem Tisch hatte. :B
    Zu DDR-Zeiten hatte ich leider nie einen Ferienplatz auf Rügen ergattern können, u. für einen eintägigen Aufenthalt mit der Familie an der Badewanne lag nunmal Usedom näher.

    Nachdem das Jubiläumsjahr "100 Jahre Lokomotiven der Lenz-Gattung M" mangels erschienenem Geburtstagskind so sang- u. klanglos verstrichen ist, gibt es endlich einen Grund zum feiern!

    Nachdem die Rü.K.B. im Jahre 1913 die letzte von drei Lokomotiven der Gattung "M" erhalten hatte, wurde sie 1914 gleich mit der ersten bedacht. Im gleichen Jahr folgten noch vier weitere Maschinen für vorpommersche Kleinbahnen:

    Fabr. Nr. 2951 Rü.K.B. 52 M
    2952 D.K.B.W. 151 M
    2953 D.K.B.W. 152 M
    3018 D.K.B.O. 51 M
    3019 K.G.W. 51 M

    Damit ist also das Jubiläumsjahr eröffnet. :cheers:

    Besten Dank u. viele Grüße

    Holger

  • Hallo Mathias,

    der Dank geht zurück an Dich. Dafür, dass Du uns diesen Beitrag geschenkt hast.
    Du hast es ja schon geschrieben. Ich kenne den Text. Aber es war trotzdem schön, ihn jetzt fertig zu lesen.

    Als 1984 seitens der Reichsbahn die Entscheidung gefällt wurde, die beiden D-Kuppler aus dem Plandienst herauszulösen, hat wohl niemand zu träumen gewagt, dass 5 Jahre später noch immer Vulcan-Plandampf geboten wird. Und schon gar nicht, dass der 1991/92 noch deutlich intensiviert werden würde.

    Im April 1987 ergab sich die sehr seltene Gelegenheit, beide Mh's an einem Tag im Einsatz zu bewundern. 99 4633 oblag dabei der Part der Planlok. Gerade 99 4633 machte sich spätestens ab 1986 sehr rar auf der Strecke und hatte nur wenige Einsatztage im Plan- und Sonderzugdienst. Das Foto repräsentiert wunderschön das typische ORWO UT 18-Dia. Das war immer eine Wundertüre. Welchen Farbstich würde der Film mitbringen?


    99 4632 hingegen, war mit einem DMV-Sonderzug in Göhren und war gerade entschlackt worden. Der Lokführer räumt gerade die Hinterlassenschaft weg, während der Heizer die wichtigsten Ölstellen noch etwas nachfüllt. Wer gut schmiert...
    Dieses Dia habe ich schon etwas gepimpt, aber nicht ordentlich entstaubt. 99 4632 ging anschließend schnell wieder in den Plandienst. Einige Tage später konnte ich sie in Putbus fotografieren.

    Hier wird sie am 7. Mai 1987 vom Schmutz befreit. Im Göhrener Umlauf gab es für solche Arbeiten am Nachmittag eine längere Pause in Putbus. 99 4632 erreichte ungleich höhere Laufleistungen im Plandienst. Immer wieder wurde sie angeheizt und eingesetzt.

    Foto: Achim Rickelt

    Für uns Eisenbahnfreunde war es in der zweiten Hälfte der 80er immer eine tolle Nachricht, wenn der Buschfunk den Einsatz einer Mh vermeldete. Mit einigen internen Verbindungen konnte man da schon mal Ohr an der Masse haben. Aber meist wurde ich doch von der 99 4632 überrascht.


    Viele Grüße

    Dampfachim